Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 334
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0130
Etwas enthusiastischer läßt sich Jakobi vernehmen:

Uber sie [die allemannischen Gedichte] freue sich, und freut sich noch der
Kenner und Nichtkenner der Poesie; der Geschäftsmann, der sonst auf die
Gesänge der Musen wenig achtet; die gebildete und ungebildete Leserinn,
und die gemeine Volksklasse in Stadt und Dorf 27).
Der Schlesier stellt kurz fest: „Er [Hebel] feßelt die gebildeten, und ergreift
gewiß auch den einfachsten Menschensinn." 28) Die ausführlichen Überlegungen zu
diesem Thema stammen von Goethe, und er ist der einzige, der sich konkret zu
den Rezeptionsweisen von Gebildeten und Ungebildeten äußert:

Uberhaupt hat der Vf. den Charakter der Volkspoesie darin sehr gut getroffen
, daß er durchaus, zarter oder derber, die Nutzanwendung ausspricht.
Wenn der höher gebildete von dem ganzen Kunstwerke die Einwirkung auf
sein inneres Ganze erfahren, und so in höherem Sinne erbaut seyn will:
so verlangen Menschen auf einer niederen Stufe der Cultur die Nutzanwendung
von jedem einzelnen, um es sogleich zum Hausgebrauch benutzen
zu können. Der Vf. hat nach unserem Gefühl das fabula docet meist sehr
glücklich und mit viel Geschmack angebracht, so daß, indem der Charakter
einer Volkspoesie ausgesprochen wird, der ästhetisch genießende sich nicht
verletzt fühlt*•).

Goethe erläutert und entfaltet hier die schon von Hebel in seiner Anzeige angedeutete
Grundvorstellung der Aufklärung von der unterschiedlichen Rezeptionsweise
von Gebildeten und Ungebildeten: Der Gebildete genießt ästhetisch, er
erfaßt das Ganze des Kunstwerks und läßt es auf sich in seiner Ganzheit wirken.
Der Ungebildete, der zu solchem ästhetischen Genuß nicht in der Lage ist (und
vor allem bei den Allemannischen Gedichten die Mundart ästhetisch zu genießen
nicht in der Lage ist), zieht im einzelnen Lehren aus den Gedichten. Die didaktische
Wirkung der Gedichte stellt sich Jakobi so vor:

Neuheit der Ideen und Bilder, eine ganz eigene Naivetät; unschuldiger
Scherz, abwechselnd mit wohlthätigem Ernst; erhabene Gedanken, deren Erhabenheit
durch den einfältigen Ausdruck noch auffallender wird; tröstliche
Wahrheiten, überall Leben und Wärme, und ein herzliches, inniges Verlangen
, den müden Arbeiter aufzurichten bey seinem Tagewerk; die gemeinere
Seele zu veredeln, ohne sie aus dem Kreise, worinn sie wirken soll,
wegzurücken, und den Menschen festzuhalten an dem, was sein Heiligstes
seyn und bleiben muß M).
Das ist nichts anderes als das Programm der „Allgemeinen Deutsche Bibliothek"
zur Volksaufklärung31), deren Kernstück in Veredelung ohne Weckung neuer
Ansprüche ist, ein weithin akzeptiertes Programm, wie ein letztes Beispiel verdeutlichen
soll:

Er [Hebel] ist in die Hütten seiner Landsleute hinabgestiegen, um ihre
Gefühle zu veredeln, ihnen Lebenslust, Frohsinn und Hoffnung ins Herz
zu singen; gewiß der humanste Zweck, den ein Dichter haben kann 32).
Auch in der Beurteilung der Mundart sind sich die Rezensenten weitgehend
einig. Ihre Eignung zur Darstellung des Lieblichen und Naiven ist unbestritten,
befürchtete Vorwürfe wegen ihrer Roheit oder Gemeinheit kommen nie auf.
Offenbar rechnet Hebel hier noch mit Vorstellungen, wie sie in seiner Jugend
bestanden. Jean Paul meint jetzt jedenfalls, „mit der schwäbischen Mundart entzöge
man ihm [Hebel]seine halbe Kindlichkeit und Anmut" M), Gründler betont,
„daß die kindliche Naivität, die durch das alterthümliche Schwabendeutsch so
lieblich ausgesprochen wird, [...] den ernsten und edlen Formen des Hochdeutschen
oft unausdrückbar" ist M). Auch im „Nordischen Archiv" ist der Rezensent
der Uberzeugung, daß bei einer Ubersetzung der Allemannischen Gedichte
ins Hochdeutsche „viel von der Energie und Naivetät der Ursprache verloren"
gehe M).

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