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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 1.1981
Seite: 29
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0031
Die andere Gruppe der Zuwanderer, die Schnurkeramiker, fehlen am südlichen Oberrhein
. Die Träger dieser Kultur, die im Totenkult den Grabhügel bevorzugen, »scheinen
nicht Bauern herkömmlicher Art gewesen zu sein, eher Hirten und Jäger. Sie gehören in
einen Kulturverband, der von Mittelrußland bis zu den Niederlanden das Flachland einnimmt
. Er dringt in die Mittelgebirgszone ein und berührt Südwestdeutschland einerseits
randlich, andererseits muß er es durchzogen haben, um in der Schweiz eine seßhafte
Gruppe zu bilden, von der Ausläufer wieder den Hochrhein (Insel Werd) und den Kaiserstuhl
erreichen«'8^.

Das keramische Kultunnventar umfaßt verschiedene Tvpen von becherartigen Gefäßen
(überwiegend mit Schnurverzierungen, aber auch anderen Ziertechniken), die den
allmählich sich entwickelnden Regionalgruppen ihr charakteristisches Gepräge gegeben
haben (Abb. 20): Becher mit Trichterhals, mit Zylinderhals, mit geschweiftem Profil,
hohe und gedrungene Formen, häufig mit kugeligem Bauchteil und mehr oder minder
stark abgesetztem Fuß. Neben verzierten, treten unverzierte Becher, oft nur mit Standboden
auf. Letztere werden als eine späte Form'9' angesehen, die erst »mit der regionalen
Eigenentwicklung beginnen« (wie z. B. ein Becher aus Wollbach in Oberfranken (Abb.
21), mit einer Streitaxt und zwei atypischen Silexgeräten - ähnlich den Geräten aus dem
Homburger Grab - als Beigaben einer Bestattung, die bereits in die frühe Bronzezeit gehört
).

Ein Vergleich des Homburg-Bechers mit Gefäßen der Schnurkeramik zeigt sofort,
daß man sich nur auf Typen der rheinmainischen und fränkischen Gruppe601 stützen
könnte, um die Frage seiner Herkunft zu prüfen (eine naheliegende Beziehung zur
schweizerischen Kulturgruppe ist nicht festzustellen). Die rheinisch-fränkischen, geschweiften
, leicht trichterförmigen, unverzierten (späten) Becherformen lassen zwar eine
gewisse Ubereinstimmung mit dem Homburg-Becher erkennen. Auch die Tonbehandlung
ist nicht übermäßig verschieden. Nur weisen die Vergleichsgef äße im allgemeinen
einen etwas mehr gerundeten Bauchteil auf. Bei einigen ist der Fuß noch deutlich abgesetzt
.

Da der Vergleich nur »Ähnlichkeiten im Gefäßaufbau« festestellen kann, läßt sich
nicht mit Sicherheit erkennen, daß der Homburg-Becher Ausdruck einer geradlinigen,
verwandtschaftlichen Beziehung zwischen schnurkeramischen Regionalgruppen sein
müßte. Das Homburger Gefäß ist als etwas zwielichtiger Einzelgänger dafür nicht beweiskräftig
genug. Somit bleibt nur die Möglichkeit, eine überregionale Übertragung
von kulturspezifischen Formelementen zu prüfen.

Es wäre durchaus denkbar, daß die Gefäßform des Homburg-Bechers unter einem allgemeinen
kulturellen Fremdeinfluß61 auf das Kultunnventar einer spät-endneolithi-
schen, einheimischen Bevölkerungsgruppe am südlichen Oberrhein entstanden ist
(22a-d); als eine Anpassung an Modeströmungen, die von den im Südwestraum dominierenden
Gesellschaften der Schnurkeramik und der Glockenbecherkultur ausgegangen
sind. Auch die Sitte, unter einem Hügel zu bestatten, muß - nach den im allgemeinen
vorherrschenden Bestattungsformen - auf Fremdeinfluß beruhen. »Das kulturelle Angebot
der Schnurkeramik ist in ganz Mitteleuropa latent vorhanden«62'. Nach W. Pape
reagieren die einzelnen Gruppen jedoch völlig unterschiedlich. Ihre Reaktionen lassen
sich in einer graduellen Abstufung anordnen, die von der totalen Ablehnung, wie z.B.
durch die Horgener Kultur, über gelegentliche Kontakte bei anderen Gruppen und die
gleichberechtigte Koexistenz bei der Auvernier-Kultur reicht bis zur »Schnurkeramisie-
rung«, zum völligen Aufgehen in der »Schnurkeramischen Kultur«. Die Frage nach der
einheimischen »Kultur«, die ein derartiges kulturelles Angebot angenommen hätte, ist
für den Raum der südlichen Regio noch nicht konkret zu beantworten.

Mit derartigen kulturellen Transformationen, mit dem totalen Wandel kultureller Individualitäten
, hinter denen sich das existentielle Dasein urgeschichtlicher Bevölkerungsgruppen
verbirgt, hängt möglicherweise ihr häufig nicht begreifliches Verschwinden
zusammen. Die Auflösung von bedeutenden »Kulturen« - wie z. B. der Michels-

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