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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 1.1981
Seite: 138
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0140
sich in den Wirtshäusern der Dörfer, etwa unter Aufsicht des Landvogtes, die Bietwilligen
und boten auf den Zehnt, d. h. sie boten an, wie viele Säcke Korn und Hafer sie für
einen Zehntbezirk abliefern wollten, wenn ihnen der Zehntherr das Recht verlieh, die
zehnte Garbe einzuziehen. Beim Zehntbestand, wie man dieses Vertragsverhältnis
nannte, ließ sich ein beträchtlicher Gewinn machen. Erstens einmal gehörte das Stroh
nach dem Dreschen dem Ersteigerer des Zehntens, dem sogenannten Beständer. Stroh
aber war ein gesuchtes Winterfutter für das Vieh. Zweitens lagen im Steigerungsverfahren
gewisse Gewinnmöglichkeiten, denn der Beständer mußte doch außer dem Stroh
auch einen Anteil behalten dürfen, als Entgelt für seine Mühe; sonst hätte sich niemand
zu diesem unangenehmen Amte gedrängt. Außerdem war aber der Zehnt eine Bringschuld
, d.h. das gedroschene Korn mußte an den Scheunen der Obrigkeit abgeliefert
werden. Das setzte in den meisten Fällen voraus, daß der Beständer eigenen Wagen und
eigene Zugtiere hatte — also mindestens ein Halbbauer war. Wir kennen Versuche der
Basler Obrigkeit, den Taunern das Mithalten beim Zehntbieten möglich zu machen, aber
es gibt auch Anzeichen für eine Kartellbildung unter den Bauern gegen die Tauner, und
dabei spielte natürlich der Besitz von Transportmitteln und die größere Finanzkraft eine
wichtige Rolle. Samuel Huggel hat Fälle festgestellt, in denen sich die Bauern eines Baselbieter
Dorfes beleidigt zur Wehr setzten, wenn die Tauner auf den Zehnten bieten
wollten; sie empfanden das als Eingriff in ein ihnen zustehendes Privileg.

Ein viel unangenehmeres Amt war die sogenannte Trägerei. Bei der unendlichen Güterzersplitterung
mußte es notwendigerweise geschehen, daß ein ursprünglich einheitliches
Erblehen unter viele einzelne Lehensleute aufgeteilt war. Der Lehensherr aber wollte
seinen Lehenszins nicht bei allen Inhabern einzeln einsammeln und hatte wohl auch
den Uberblick nicht. Deshalb wurde einer der Inhaber als sogenannter Träger bestimmt
und mußte von seinen Nachbarn den Zins einziehen und abliefern. Träger war in der Regel
der Inhaber der größten Parzelle innerhalb eines Zinsbezirks. Das führte meist dazu,
daß die Träger Bauern, die sogenannten Einzinser aber Tauner waren. Weil der Träger für
den Gesamtzins haftete, war es seine Sache, wie er die Zinsen auf die Einzinser verteilte;
dabei konnte Willkür vorkommen. Außerdem durfte der Träger einen Aufschlag für den
Umtrieb machen, der ihm durch den Einzug entstand; in Baselbieter Fällen, über die wir
aus helvetischen Akten Bescheid wissen, betrug dieser Aufschlag, der sogenannte »Tragbecher
«, etwa 8% auf den abzuführenden Zins.

Als Zehntbeständer und als Zinsträger traten also die Bauern den Taunern in fordernder
Haltung gegenüber, zu diesem Zweck von der Obrigkeit mit Amtsbefugnis ausgerüstet
. Die Obrigkeit handelte raffiniert, wenn sie dergestalt die Konflikte, welche bei Abgaben
aller Art so leicht entstehen, ins Dorf verlagerte, d.h. zwischen der dörflichen
Ober- und Unterschicht ausfechten ließ.

Wir haben damit schon eine ganze Reihe von komplizierten Rechtsverhältnissen untersucht
. Nicht alle spielen mit Notwendigkeit an der wichtigsten Front innerhalb der
dörf lichen Gesellschaft, der Grenze zwischen Bauern und Taunern. Aber viele von ihnen
machen aus Nachbarn und Dorfgenossen die Repräsentanten zweier Schichten, die verschiedene
Interessenlagen repräsentieren. Die Möglichkeiten des Konfliktes zwischen
den Schichten sind mit dem bisher Dargestellten aber noch nicht ausgeschöpft.

4. Schuldverhältnisse zwischen Bauern und Taunern

Eine umfassende Darstellung der bäuerlichen Grundpfandverschuldung fehlt leider.
Wir wissen, daß es schon in der alten Eidgenossenschaft die drei Typen der Gült — also
der Rente —, des Schuldbriefes und der Hypothek gegeben hat. Sozusagen nichts wissen
wir aber über die sogenannten Handschulden, d.h. die nicht gründpfandrechthch gesicherten
Darlehen; gerade diese aber dürften im Dorf sehr häufig gewesen sein. Es gibt
einige Hinweise, daß die Verschuldung auf Grundpfand im Kornland schon um 1700 in

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