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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 1.1981
Seite: 144
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0146
ratur ergibt, daß Stadler-Ginal (1875) als wahrscheinliches Geburtsjahr die Jahre 657
oder 661 nennen, Torsy gibt nur die Todeszeit an (um 720). Wimmer (1966) nennt ebenfalls
diese Zahl, gibt aber als Zeit der Geburt »um 600« an. Bei Stückelberg, der »Die
schweizerischen Heiligen des Mittelalters« dargestellt hat, kommt die hl. Odilie gar
nicht vor, zumal er offenbar nicht die in der Schweiz verehrten, sondern die dort geborenen
, mindestens als Thebäer eingebürgerten Heiligen meint, diejenigen, die sozusagen
einen Heiligenschein schweizerischer Herkunft tragen. Alle Autoren betonen die regionale
, elsässische Verehrung der Heiligen (»Schutzpatronin des Bistums Straßburg«
u. ä.), lediglich Wimmer vermerkt »in Süddeutschland hochverehrt«.

Wir hatten schon erwähnt, daß kein Patrozinium der Tüllinger Kirche bekannt ist. Als
Kuriosität und zur Illustration, wie Meinungen zustande kommen oder immer wieder
abgeschrieben werden, sei erwähnt, daß im »Schweizerischen Kunstführer, Binningen
und St. Margrethen« die angebliche Sage von den drei schönen Ritterfräulein Ottilie,
Margarethe und Chrischona wiedergegeben ist und dann die drei Kirchen erwähnt sind
zu St. Margarethen »und auf den beiden anderen Höhen zu St. Chrischona und zu St.
Ottilien in Obertüllingen...« Sonst wurde kein Wort über diese beiden Kirchen verloren
, geschweige denn ein Beleg zu »St. Ottilien in Obertüllingen« genannt.

Fassen wir zusammen, was wir von den Legenden über St. Chrischona, Margaretha
und Odilia wissen. Die Ursula-Legende und die ihrer Begleiterinnen dürften sich auf
Vorgänge am Ende des 3., Anfang des 4. Jh. beziehen, die Legende ist in unserem Gebiet
seit dem 11. Jh. (?) nachzuweisen. Sie wird als mehr oder weniger unsicher und fantasiereich
bezeichnet. Die Legenden über die Hl. Odilie dagegen beziehen sich auf eine offenbar
historische Persönlichkeit, die um 700 herum gewirkt hat. Ihr Kult ist seit dem 10.
Jh. reichlich bezeugt, wenn sich auch die örtlichen Legenden meist widersprechen. Die
hl. Margaretha von Antiochien soll im 4. Jh. gelebt haben, ihre Legende ist apokryph
und erst in der 2. Hälfte des 12. Jh. in unser Gebiet gebracht worden. Von einem Dreijungfrauenkult
um Basel herum — Chrischona, Margaretha, Odilia — ist auch für frühere
Zeiten nicht nur nichts bekannt, er ist weder tatsächlich noch als Legende belegbar,
sondern auch wegen der ganz verschiedenen Zeiten und Himmelsgegenden, in denen die
Kulte und Legenden der einzelnen Heiligen aufgekommen oder überliefert sind, nicht
recht vorstellbar. Er ist vielmehr ganz und gar unwahrscheinlich. Daß von einer Verehrung
der hl. Odilie überhaupt nichts bekannt ist, obwohl gerade ihre Kultstätten und die
zugehörigen Legenden reichlich und meist auch schon früh bezeugt sind, muß betont
werden.

Jedoch könnte vielleicht der folgende historische Tatbestand erklären, warum sich die
Vorstellung von Klausnerinnen auf unseren drei Höhen so hartnäckig hält. Es hat eine
Zeitlang tatsächlich Klausnerinnen auf St. Margrethen gegeben. Im Jahr 1260 wurde das
Kirchlein mit seiner Binninger Gemeinde in die Leutkirche von St. Ulrich am Münsterplatz
in Basel inkorporiert. Kirche und Gemeinde wurden also von da aus versehen und
das Pfarrhaus bei St. Margrethen war verwaist. Dort zogen dann »Klausnerinnen« (Begi-
nen?) ein, sie sind freilich erstmals 1393 erwähnt. Aber gegen Ende des 15. Jh., 1 —2 Generationen
vor der Basler Reformation, stand das Pfarrhaus wieder leer. Die Erinnerung
daran mag noch lange nachgewirkt und zu sagenhaften Ausschmückungen geführt haben
. Nur die Vorstellung von Lichtzeichen wollen wir lieber der Moderne zuweisen,
denn mit den häuslichen Mitteln von vor 500 Jahren und mehr, also mit Kienspänen und
ölfunzeln, war an Lichtzeichen über solche Entfernungen sicher nicht zu denken.

Anmerkungen

1) Vgl. »Wörterbuch der deutschen Volkskunde« S. 687 zu »Sage«: = »Rede, Aussage«... »auch
wie althochdt. mari« (Mär) = »Erzählung, Gerücht« und »unbeglaubigter Vergangenheitsbericht
«,... »Die Sage ist meist festgelegt nach Ort, Personen und Zeit, oft bis zu Namen und Jahreszahl
, sie darf deshalb Glauben verlangen und findet ihn.«

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