Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 1.1981
Seite: 147
(PDF, 31 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0149
bekanntes Ansehen als Vorbilder verschafft, das wohl nicht allein der wirtschaftlichen
Seite der Haushaltsführung, sondern auch dem erzieherischen und geistigen Format der
jungen Frau nicht minder als der »Schwieger« galt.

Kurz vor Oekolampads Tod war die Frau des Straßburger Predigers Wolf gang Capito
gestorben, einer der Reformatoren Straßburgs und Freund Oekolampads, mit dem er in
ständigem Gedankenaustausch war. Er war bekannt als eines der »Häupter« der Reformation
im deutschen Südwesten. Gemeinsame Freunde fanden es »schicklich und pietätvoll
«, daß sich der nunmehr Verwitwete der Witwe und der Waisen Oekolampads annehme
. Immerhin war die Heirat eines so dem Lichte der Öffentlichkeit und der Kritik
der Feinde preisgegebenen Mannes nicht ohne Risiken, aber eben hier fehlten sie offenbar
. Es kam zur Eheabrede und Frau Wibrandis übersiedelte im April 1532 mit ihren vier
Kindern und der Mutter nach Straßburg, um mit Capito die Ehe einzugehen und die
Führung des Haushaltes zu übernehmen. Das war keine leichte Aufgabe. Denn Capito,
von Hause aus ein vermögender Mann, war gutmütig, aber leichtfertig Bürgschaften eingegangen
, die ihn in drückende Schulden stürzten. Es galt mit äußerster Sparsamkeit zu
wirtschaften, aber auch hierin hatten Frau Wibrandis und Ihre Mutter wohl beide schon
ihre eigenen Erfahrungen gemacht, die eine in ihrer ersten, jungen Witwenzeit, die zweite
wohl lebenslang, da sie ohne die Hilfe des Mannes auskommen mußte. Daß Capito als
Mann, dessen Geist ganz auf die Erfassung des Wortes Gottes und seine Verkündigung
gerichtet war und ganz seiner Gemeinde galt, kein Verhältnis zu Geld und wirtschaftlichen
Dingen gehabt haben dürfte, kann uns sehr wohl verständlich sein. Zu allen Zeiten
ist es in solchen Lagen zumeist den Frauen und ihrem praktischen Genie überlassen gewesen
, die Dinge zu meistern. Auch Capito war mit Arbeit überlastet, denn Rat und
Hilfe in geistlichen wie organisatorischen Dingen war von überallher gefragt. Er wird als
wenig robuster Mann geschildert. Er litt unter Schlaflosigkeit und Depressionen und
war anfällig für allerhand Krankheiten. 1541 wütete in Straßburg wie im ganzen Oberrheingebiet
eine furchtbare Pestepidemie, der Capito zusammen mit drei Kindern der
Familie zum Opfer fiel. Es war nunmehr die dritte Witwenschaft der inzwischen 37jähri-
gen Frau mit noch vier unversorgten Kindern.

Zu jener Zeit lag die Frau des wohl noch berühmteren anderen Straßburger evangelischen
Pfarrers und Reformators nach längerem Siechtum auf ihrem Todeslager, die Frau
von Martin Butzer (Bucer). Als sie die Nachricht vom Tode Capitos erfuhr, ließ sie Frau
Wibrandis offenbar ohne Wissen ihres Mannes und zu heimlicher Stunde zu sich kommen
, um sie inständig zu bitten, nach ihrem Tod im Pfarrhaus Butzers (es war das der St.
Thomas-Gemeinde) an ihre Stelle zu treten. Auch die Freunde Butzers waren gleicher
Meinung und drängten ihn, diesem Wunsch und Rat zu folgen. Zu Butzers Entschluß,
die Ehe einzugehen, haben wir ein schönes und sicher ehrliches Zeugnis von Butzer
selbst aus einem Brief, den er im März 1542 an Ambrosius Blarer, den Reformator in
Konstanz, schrieb: »Obwohl ich über das zum Heiraten geeignete Alterhinaus bin, habe
ich mich unter allseitiger Berücksichtigung meiner Verhältnisse entschlossen, den Brüdern
zu folgen und mich mit Capitos Witwe zu verbinden. Die Gründe, die mich vornehmlich
zu diesem Schritt bewegen, sind die Einsamkeit, die ich nicht gewohnt bin und
nicht ertragen kann, dazu die Gefahr, mit fremden Leuten einen Haushalt zu führen,
endlich die Vortrefflichkeit der Witwe und die Liebe, die ich den Waisen eines um mich
so verdienten Mannes schulde.«

Butzer hatte ein heiteres und zuversichtliches Wesen, das ihn vom strengen Oeko-
lampad ebenso wie vom schwermütigen Capito unterschied und das Leben an seiner
Seite wohl wesentlich erleichterte. Zudem war sein Lebensalter dem seiner Frau näher.
Andererseits war auch Butzer ein vielseitiger in Anspruch genommener, mit Arbeit
überhäufter Mann. Als Ratgeber war er viel unterwegs, u.a. beim Erzbischof von Köln,
Hermann von Wied, der dem Protestantismus nahestand. Es begannen die Religionskriege
. 1546/47 unterlagen die evangelischen Reichsstände im Schmalkaldischen Krieg

147


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0149