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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 1.1981
Seite: 148
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0150
der habsburgisch-katholischen Liga. Die Folge war das sogenannte »Augsburger Interim
« des »geharnischten Reichstags« 1547/48. Es gestattete den Protestanten bis zur
Entscheidung eines »unparteiischen Konzils« nur Laienkelch und Priester-Ehe, sonst
aber verlangte es von ihnen die Rückkehr zum Katholizismus. Das war die Verurteilung
der Reformatoren zur Passivität. Es folgte eine Welle von Vertreibungen neugläubiger
Pfarrer, die sich dem Interim nicht unterwerfen wollten. In dieser für die Unabhängigkeit
der Reichsstadt nicht ungefährlichen Lage (1549) war der Straßburger Stettmeister
Jacob Sturm gezwungen, die beiden entschiedensten Gegner des Interims, Martin But-
zer und Paul Fagius, aus der Stadt zu weisen. Man muß sich dabei auch vergegenwärtigen
, daß der Papst 1542 erst die Inquisition erneuert hatte, und daß seit 1545 das Triden-
tiner Konzil tagte, das nicht als unparteiisches, sondern als Konzil der Gegenreformation
in die Geschichte eingegangen ist. Und 1546 war Martin Luther gestorben.

Deshalb nahm Butzer eine Einladung des Erzbischofs Thomas Cranmer nach England
an, wo er zum königlichen Lektor der Heiligen Schrift an der Universität Cambridge berufen
wurde. Die Familie ließ er zunächst unter der Obhut des Schwiegersohnes, des
Pfarrers Christoph Söll, in Straßburg zurück. Als Theologe scheint er sich in seinem neuen
Kreis rasch zurechtgefunden zu haben, zumal man in jener Zeit mit sprachlichen
Schwierigkeiten nicht zu rechnen brauchte.Das Latein war die gemeinsame Sprache der
Universitäten. Aber sein Gesundheitszustand war nicht der beste. Er litt unter Gallensteinen
und hatte deshalb über die ungewohnte Ernährungsweise zu klagen. Am meisten
plagte ihn wohl das Heimweh und das Fehlen seiner Familie, auch die Sorge um seine
Gemeinde und den Gang der Dinge in Straßburg. Deshalb ließ Erzbischof Cranmer seine
Familie nach England kommen. Der Umzug erfolgte im September 1549, ein teures,
anstrengendes und nicht gefahrloses Unternehmen in jener Zeit. Da Mutter Wibrandis
als umsichtige Frau die neuen Verhältnisse erst erkunden wollte, hatte sie nicht alle Familienmitglieder
und nicht den ganzen Hausrat mitgenommen. Deshalb fuhr sie im Jahr
darauf noch einmal zurück, um die übrige Familie und die alte Mutter Magdalena Strub
nach Cambridge zu holen.

Am 28. Februar 1551 schon starb aber Butzer nach einem heftigen Anfall seines Leidens
im Alter von 60 Jahren. Die Universität bereitete ihm ein feierliches Leichenbegräbnis
und König Edward VI. ließ der Witwe eine Witwengabe von 100 englischen Pfund
reichen. Nach einem längeren Aufenthalt in Straßburg kehrte Frau Wibrandis 1553 mit
ihrer Mutter und den Kindern in die Heimatstadt Basel zurück.

Von ihren 12 Kindern sind (dem Berichterstatter) nur 5 bekannt, die das Heirats- oder
Erwachsenenalter erreicht haben. Der einzige Sohn darunter war Hans Simon Capito.
Er kam zum Studium nach Marburg, geriet in ein leichtsinniges Leben und war allen Ermahnungen
der Mutter unzugänglich.Man hat den Eindruck, daß dieser junge Mann den
charakterlichen und intellektuellen Anforderungen, die an ihn aufgrund seiner Herkunft
gestellt wurden, nicht gewachsen war. Er ist verschollen, seine Spur verliert sich im
Dunkel der Geschichte. Von den Töchtern heiratete Alithia als Witwe des früh verstorbenen
Pfarrers Söll einen Straßburger Handwerksmeister. Irene und Agnes Capito,
ebenso Elisabeth Butzer wurden die Ehefrauen angesehener Basler Bürger.

Die Mutter Wibrandis verstarb im Alter von 60 Jahren. Ihr Leben ist für uns Heutige
fast unfaßbar. Was an Sorge, Mühe, Zuversicht, an weltlicher und geistlicher Stärke, an
praktischer und geistiger Intelligenz mit diesem'exemplarischen Schicksal verbunden
war, können wir uns kaum vorstellen. Aber wir sollten es doch versuchen, um zu ahnen,
was das Leben viele Generationen vor uns, im 16. Jh. zur Zeit der Reformation und der
Renaissance, vom Menschen, der nicht dumpf und unwissend vor sich hinleben wollte,
verlangt hat.

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