http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-01/0136
Von einer Frau, die wegen Tragens von
Männerkleidung im Rhein ertränkt wurde.
von Erhard Richter
Am 24. September 1537 wurde am Grenzacher Horn bei der ehemaligen Salmenwaage
eine Frau im Rhein ertränkt, weil sie sich jahrelang als Mann ausgegeben hatte und in
Männerkleidung umhergezogen war. Dies gehörte im Mittelalter zu den schwersten
Vergehen, derer sich eine Frau schuldig machen konnte. So war z.B. im Prozeß gegen
die Jungfrau von Orleans das Tragen von Männerkleidung einer der Hauptanklagepunkte
. Immer wieder hielt man Jeanne d'Arc in diesem Prozeß von Rouen (1431) vor, »unanständige
Kleider« getragen und sich »gegen alle Schicklichkeit des weiblichen Geschlechts
« benommen zu haben.11 Als sich Johanna auf göttliche Stimmen berief, die ihr
geraten hätten, Männerkleidung anzuziehen, wurde dies als Gotteslästerung angesehen.
Bei Jeanne d'Arc lag das Tragen von Männerkleidung allerdings in der Notwendigkeit
begründet, als Mädchen mitten unter Soldaten leben zu müssen.
In unserem Falle scheint es sich dagegen um eine abartige Veranlagung gehandelt zu
haben, welche die Psychologie unter dem Namen Transvestismus kennt (zu lateinisch
trans = hinüber und vestire = kleiden). Diese Transvestiten, die natürlich genauso unter
Männer vorkommen, haben das Bedürfnis, sich wie Angehörige des anderen Geschlechts
zu kleiden und zu benehmen.
Eine solche anormale Veranlagung mußte im 16. Jahrhundert mit dem Leben bezahlt
werden, wie uns der folgende Text aus einer alten Basler Chronik zeigt."' Da dieser nicht
leicht verständlich ist, soll hier eine Ubersetzung folgen:
»Am 24. September 1537 wurde eine Frau in Männerkleidung am Grenzacher Horn
bei der Salmenwaage ertränkt, weil sie einige Jahre in Männerkleidung im Land des
Markgrafen herumgewandert war und sich dort aufgehalten hatte. Aus diesem Grunde
hat sie niemand als etwas anderes angesehen als ein Mann und Bauernknecht. Sie hat sich
in allen Dörfern bekannt gemacht, hat gedient und sich im Dreschen und anderer Bauernarbeit
betätigt. Dadurch wurde ihr, in der Annahme, sie sei ein Mann, ein hübsches
Mädchen vermählt und zur Ehe gegeben. Niemand glaubte ja etwas anderes, als daß sie
ein Mann wäre. Da benahm sie sich so ungebührlich gegenüber dem guten Mädchen und
schlug dieses sehr. Dieses hoffte, daß sie sich ihm gegenüber auf männliche Weise benehmen
würde, doch es blieb als Jungfrau bei ihr und glaubte, die andere sei ein Mann und
wolle es auf solche Weise nicht lieben.
Dies währte einige Zeit, bis sie anfing, sich zu vergnügen, zu schlemmen und ein lok-
keres Leben zu führen wie sonst irgendein leichtfertiger Geselle. Zu guter Letzt wurde
sie dann bei einem Diebstahl ertappt und ins Gefängnis zu Rötteln geworfen. Dort lag sie
eine gute Weile, und als man sie marterte und streckte, erkannte man, daß sie ein Weib
war. Wegen ihres Vergehens wurde sie am oben genannten Tag gerichtet und ertränkt«.
Anmerkungen:
1) Der Prozeß der Jeanne d'Arc, Akten und Protokolle 1431. 1456, dtv dokumente Bd. 24, 1961,
S. 88. Vgl. auch S. 29/30, 53 , 71, 77, 104, 106, 207 u. 215.
2) Basler Chroniken, Band 1, herausgegeben von der Historischen Gesellschaft in Basel, Leipzig
1872, S. 150
134
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-01/0136