http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-01/0146
Das Grenzenlose im Begrenzten
Von Johann Peter Hebel, dem Kalendermann des gleichen alemannischen Raumes,
hat Goethe einmal gesagt, er habe »das Universum verbauert«. Das Wort bedeutete
höchstes Lob, indem der Weimarer Klassiker damit ausdrücken wollte, Hebel habe im
Mikrokosmos des bäuerlichen, landschaftsgebundenen Milieus den Makrokosmos von
Welt und Universum sichtbar gemacht. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst kann man
bei Bizer ähnliches feststellen: im umgrenzten Raum, im ländlichen Motiv, in der unscheinbaren
Idyllik wird das Universelle deutlich, in gewissem Sinne das Metaphysische,
die Idee des Dargestellten, ob Landschaft oder figürliches Motiv. Der Freiburger Feuilletonist
Dr. Gießler hat in den 50er Jahren diese Transponierung des Nahen in das Ferne
im Oeuvre Bizers mit dem Satz umschrieben: »Im Begrenzten offenbart sich das Grenzenlose
.« Wenn Bizer auch im besten Sinne ein heimatlicher Maler gewesen ist, so wirkt
er demnach nie provinziell; was er schuf, ist überregional beachtenswert und bereits ein
Stück gültiger Kunstgeschichte.
In der Welt der Kunst gibt es Naturelle der stürmischen Aktion und der stillen, in sich
gekehrten Kontemplation. Bizers Art neigte mehr zur Kontemplation, darin vielleicht
verwandt den Deutschrömern, den sogenannten »Nazarenern«, jener Künstlergruppe,
die sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vor allem an Landschaf t und Licht Italiens
entzündete. Auch könnte man an die englischen Landschafter ein Jahrhundert früher
denken, die die Natur anbeteten und zum Kunstwerk umformten. Immer wieder erweist
sich als Bizers Eigenstes, als der ihm gemäße Inhalt künstlerischen Schaffens das Erlebnis
der Seele, das ja zu größeren Emotionen führen kann als äußere Datenfülle, die Bizer, ein
Genie der Stille, nie angestrebt hat.
Anfang und Ausgang des Lebensweges von Bizer umkreisen den Schwarzwald, das
Waldgebirge der Göttin Diana Abnoba, die ja in Badenweiler seit Römerzeiten in Ehren
gehalten wird. Im nördlichsten Teil, im fränkischen Stammesgebiet, stand seine Wiege,
im südlichen, im alemannischen, erfüllte sich sein irdisches Dasein.
Wie Bizer in Badenweiler mit Schickele zusammengetroffen ist, beschreibt dieser in
der von dem Künstler bebilderten »Himmlischen Landschaft«: »Als ich nach dem Platze
suchte, wo ich mich niederlassen wollte, traf ich den Maler Emil Bizer, und dem war es
gleich so klar wie der Herbsttag, der uns zusammenführte, daß es nur hier sein könnte.
Er nannte mir keine Gründe, sondern ging mit mir spazieren. Wir sprachen nicht viel,
aber vom ersten Tag an gingen wir nebeneinander her wie Freunde, die Wege und Waldwinkel
ihrer Kindheit aufsuchen. Vom Hochblauen hinab zum Rhein, von Freiburg bis
Basel, Blatt um Blatt des Bilderbuchs schlug Bizer mir auf, mit leichtem Finger, schon im
Weiterwandern, mit einem guten, flüchtigen Ernst in den Augen, der zu fragen schien:
'Erinnerst du dich?' So fand ich nicht nur einen neuen schönen Winkel meiner schönen
alten Heimat, sondern zu dieser Landschaft auch gleich einen Kameraden.«
Der Magnet Badenweiler und besonders des damaligen kulturellen Zirkels hat viele
andere mit Namen in die »Sonntagsstube des Markgräflerlandes« gezogen. Thomas
Mann, Bruno Walter, Hermann Kesten waren öfter am Ort, meist zu Freundesbesuchen
in den Häusern Schickele und Bizer. Zu Gast bei Bizer, der gehaltvollen wie auch heiteren
Umgang liebte, waren der Schriftenerfinder E. R. Weiß wie auch die Bildhauerin Re-
nee Sintenis, an die ihr »Eselchen« im Kurpark erinnert, zugleich Reminiszenz an die
Therapie des Eselreitens und der angeblich heilsamen Eselsmilch in vergangenen Tagen.
»Wer Bizer kennt«, so Franz Schneller, »der weiß, daß für ihn atmen nichts anderes ist
als malen, und daß leben für ihn malen heißt.« Er verstand es, Landschaften zu »erfühlen
« sowie In- und Sinnbilder der Natur zu schaffen. Sein voller Einsatz für die Kunst
fand in reifen Jahren auch äußere Früchte und im Alter hohe Ehren. 1947 wurde er zum
Professor der Kunstakademie Freiburg berufen. 1954 erhielt er den Hans-Thoma-
Staatspreis. Bizers Ausstellung im Badenweilerer Belvedere-Pavillon 1956 bot seine Bilder
inmitten jener Gegend dar, deren Inneres er mit den Mitteln der Kunst entschlüsselt
144
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-01/0146