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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
44.1982, Heft 2.1982
Seite: 19
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-02/0021
»Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit entsprechen
. Das Ziel ist die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle. In diesen
Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen zu sichern. Die grundsätzliche
Freiheit von Landwirtschaft, Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe wird gewährleistet
.« Im Vergleich mit den anderen Landesverfassungen geht also die badische Verfassung
von 1947 bei den Freiheiten, die der Wirtschaft gewährt werden, am weitesten,
ein Sachverhalt, in dem sich die liberale Tradition dieses Landes besonders deutlich widerspiegelt
. In diesem Sinne hat Friedrich Vortisch - zwar in einem anderen Zusammenhang
, inhaltlich aber genau diesen Sachverhalt umschreibend - am 11. April 1947 in der
Landesversammlung gesagt: »Der einzelne Mensch, nicht die Menschenherde, ist der
Sinn und Zweck unseres menschlichen Lebens, seine Bildung, die Sicherstellung seines
materiellen Daseins«82. Und an anderer Stelle wurde wiederholt, »daß nach demokratischer
Auffassung der Einzelmensch, die Sicherung seiner Entwicklung nach seinem eigenen
Gewissen, und die Sicherung seines materiellen Daseins Sinn und Zweck unseres
menschlichen Lebens sind, nicht die Menschenherde, in der die individuelle Selbstver-
antwortung des einzelnen aufgehoben ist...«83. Dagegen war es kommunistische Auffassung
, »daß es keinen einzigen Menschen auf dieser Erde gäbe, wenn die Gemeinschaft
der Menschen nicht da wäre, und kein Mensch auf dieser Erde existieren könnte, wenn
ihn nicht diese Gemeinschaft, deren Glied er ist, tragen würde. Die Gemeinschaft erhält
die Menschen, der einzelne Mensch hat dieser Gemeinschaft darum mit allen seinen Fähigkeiten
zu dienen, um die Sicherung der Existenz und die Erfüllung des Lebens aller zu
ermöglichen«84. Der SP ging es grundsätzlich um die Verhinderung der »Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen«. Deshalb sei die Wirtschaft zu gestalten »im Interesse
der Gesamtheit, des allgemeinen Wohles der Menschen«83.

Was nun die Frage der zukünftigen Wirtschaftsform angeht, so hat sich grundsätzlich
aus den in den Beratungen geführten Diskussionen heraushören lassen, daß die sozialdemokratische
, besonders nachhaltig aber die kommunistische Fraktion, der trotz Krieg
und Niederlage unverändert weiterbestehenden kapitalistischen Produktionsweise jegliche
Glaubwürdigkeit und zum Besseren verändernde Wirksamkeit abgesprochen haben,
ja, es sei nach ihrer Meinung gerade die kapitalistische Produktionsweise gewesen, welche
die tiefste Ursache von Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit gewesen sei, und welche
Not und Elend für die großen arbeitenden Volksmassen und in ihrem Gefolge die
Kriegskatastrophen mit sich gebracht habe. In seiner Erklärung vor der Abstimmung
über die Verfassung nach der ersten Lesung sagte hierzu der sozialdemokratische Fraktionssprecher
Phillipp Martzloff: »Die Erfahrungen, die das deutsche Volk in den letzten
Jahrzehnten so reichlich sammeln konnte, insbesondere aber die Erfahrungen aus der
Zeit nationalsozialistischer Herrschaft, haben die Beweise für die Notwendigkeit, die
kapitalistische Wirtschaftsordnung grundlegend zu ändern, für alle denkenden Menschen
mit christlicher und sittlicher Lebensauffassung vervollständigt. Die sozialdemokratische
Fraktion der Landesversammlung hat aus dieser Tatsache die notwendigen
Schlußfolgerungen gezogen und entsprechende Vorschläge für die Gestaltung derjenigen
Bestimmungen der Verfassung gemacht, die die künftige Wirtschaftsordnung bezeichnen
. Die von der Mehrheit der Landesversammlung beschlossene Fassung der Artikel
über die Wirtschaftsplanung, Sozialisierung, Boden- und Agrarreform und deren
Begründung durch Redner der BCSV und der DP lassen erkennen, daß nicht ernstlich
daran gedacht wird, die kapitalistische Produktionsform, die tiefste Ursache von Wirtschaftskrisen
, Arbeitslosigkeit, Not und Elend der großen arbeitenden Volksmassen
und Kriegskatastrophen ist, grundlegend zu ändern« . Die im Plenum der Landesversammlung
geführten Beratungen über Planwirtschaft, gelenkte Wirtschaft und freie
Wirtschaft sind in ihren Gegensätzen unüberbrückbar geblieben. Was die badische Verfassung
schließlich dann als Ziel eines geordneten Wirtschaftslebens definiert und in der
Verfassung verankert hat, ist aus Art. 43 - und damit in Verbindung stehend auch aus
Art. 37 - des endgültigen Verfassungstextes zu entnehmen87.

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