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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 1.1983
Seite: 202
(PDF, 40 MB)
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Glarus zu besuchen, mit der sich ein alter Brauch verbindet, der dem Souverän vor Ort
Gelegenheit gibt, das Geschick seines Landes zu bestimmen. Als weitere Ziele erwogen
wurden der Besuch der Römerbauten in Vindonissa (Windisch) bei Brugg im Aargau
und der sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Klosterkirche von Königsfelden mit ihrem
großartigen Zyklus an gotischen Glasfenstern aus dem Ende des 14. Jahrhunderts.
Die Kirche selbst war bis zur Klosteraufhebung Grablege der Habsburger, die ganz nahe
ihre Stammburg hatten. Auch ein Besuch des Basler St. Albantals mit seinem heutigen
Papiermuseum wurde vorgeschlagen und dem Vorstand zur Planung überwiesen.

Siech und Saich

von Christian M. Vortisch

Vor mehr als einem Jahr las man in einem Beitrag über die wirkliche Lage der Dörfer in
unserer Industriewelt (er erschien in einem Nachrichtenmagazin) eine Erklärung des
Wortes »Siach«. Es sei ein schwäbischer Dialektausdruck und bedeute Seicher, Bettnässer
. In mehrfacher Hinsicht ist das eine merkwürdig »interessante« Behauptung. Zunächst
ist es nicht nur Dialektwort, sondern gehört in verschiedenen Formen auch zum
Wortschatz der heutigen deutschen Schriftsprache. Vor allem ist es kein Ausdruck, der
nur zum schwäbischen, sondern auch zum alemannischen Sprachbereich gehört, mithin
auch zum schweizerdeutschen Dialekt. Siechtum bedeutet »lange, vermutlich unheilbare
Krankheit«, »dahinsiechen« bezeichnet diesen Zustand. Sondersiechen waren noch
im 17. Jh. die abgesonderten Seuchenkranken, die außerhalb von Städten und Dörfern in
Siechenhäusern untergebracht und notdürftig versorgt wurden. Das waren vor allem die
Leprosen, Träger der damals noch unheilbaren Lepra-Krankheit. Als Sieche bezeichnete
man aber auch Leute mit allerlei sonstigen körperlichen Gebrechen und Amputierte. Soweit
sie in ihrer Heimat waren, war durch mildtätige Stiftungen und das kommunale Almosen
, auch durch die Klöster, einigermaßen für das Notwendigste gesorgt, wie die
Stadt Neuenburg am Rhein in ihrem Amtsblatt 1981 eindrucksvoll dokumentiert hat.
Fremde und Heimatlose aber waren auf den Bettel angewiesen. Diese fremden Siechen
gehörten damals allgemein ins Ortsbild. Und sehr oft wurden ihre Leidensbilder durch
Gauner und Schwindler auf raffinierteste Weise nachgeahmt. Es bildeten sich ganze Betrügerbanden
, die gelegentlich auch nicht vor Gewaltanwendung zurückschreckten, um
zu Geld zu kommen. Von solchen »Siechen» ging der Begriff in seiner heutigen Bedeutung
auf Faulenzer, Schwindler, Gauner über. Mit Seich aber, dem Wort für Harn,
Urin, hat das Wort Siech nichts zu tun. Seich ist von seihen abzuleiten, alemannisch
»sechte« (es bedeutet natürlich das, was die Niere geseiht hat). Schließlich ist »Siech« in
der Mundart nicht nur Scheltwort, sondern, je nach den Umständen, auch Scherzwort.

Nun erfahren wir leider aus Bad Säckingen (vgl. die Buchbesprechung) daß dort ein
»Siechenmännle« eine offenbar neueingeführte Fasnachtsfigur geworden ist. Damit soll
die Darstellung eines »Siechen« im ältesten Stadtsiegel, der vermutlich den Personenkreis
symbolisiert, dem der Dienst des Klosters in seiner Frühzeit galt, in die Gegenwart
zurückgeholt werden. Wir können nicht sagen, ob es einfache Unwissenheit ist oder moderne
Gefühllosigkeit und Effekthascherei, die hier einen äußerst bedauerlichen und unpassenden
Ausdruck gefunden hat. Mit Brauchtum und Kultur darf der Hohn auf die
Leiden dieser Welt nicht verwechselt werden.

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