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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 1.1983
Seite: 206
(PDF, 40 MB)
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hundert haben tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungen mit ihren Traditionsabbrüchen das seinerzeit
vielbeachtete epische und dramatische Werk des Kleistpreis-Trägers von 1912 und Schiller-
preis-Trägers von 1927 im ganzen bereits der Literaturgeschichte zugewiesen, während seine alemannischen
, vor 1914 entstandenen »Madlee«-Gedichte trotz ihrer konservativen Thematik und
Formen unter seinen Markgräfler Landsleuten noch ebenso lebendig geblieben sind wie diejenigen
seiner hochdeutschen Gedichte, die - themenverwandt — aus gleicher Wurzel im Alemannischen
und Markgräflerland gewachsen waren: hier durch das 1940 entstandene Gedicht »Ähren in das
Grab« in einer Handschrift des Jahres 1941 vertreten.

Die Markgräfler Freundschaften des Dichters, Anlaß zu zahlreichen Gelegenheitsgedichten,
werden hier durch die Handschriften zweier 1944 entstandener Gedichte illustriert: das eine bisher
nicht veröffentlicht für den Hebelillustrator und »Engelimoler« Adolf Glattacker (gest. 1971) geschrieben
, Burtes Landsmann und Freund seit den gemeinsamen Lehrjahren an der Karlsruher
Kunstgewerbeschule der Jahrhundertwende; das andere dem vor allem als Keramiker bekannt gebliebenen
Professor Max Läuger (gest. 1952), einem gebürtigen Lörracher, zu seinem 80. Geburtstag
gewidmet, als dessen »dankbarer Schüler, Verehrer ein Leben lang und Freund in der Heimat in
alten Tagen « Burte sich bei anderer Gelegenheit bekannt hat.

Nach England führt und an die englischen Wanderjahre des jungen Hermann Strübe erinnert das
achte Gedicht »An Francis Bacon«, den englischen Renaissance-Philosophen und Staatsmann, dessen
Geschichte Heinrichs VII. Tudor, 1904 in London in der englischen Nationalbibliothek gelesen
, Burte zu seinem 1920 in Karlsruhe uraufgeführten Schauspiel »Warbeck« angeregt hat. Als
»Leitgedicht der gedruckten Fassung von 1935 des Schauspiels vorangestellt, liegt es hier handschriftlich
- für seine 17 Strophen ein Doppelblatt benötigend - in einer frühen Fassung von 1915
vor.

1864 hatte der damals erst zwanzigjährige Paul Verlaine sein berühmtes »Chanson d'automne«
(»Herbstlied«) geschrieben, das seither immer wieder auch ins Deutsche übertragen worden ist.
Von Burte zum erstenmal in eine deutsche Mundart, das Alemannische, kongenial übertragen, präsentiert
es sich hier in der Fassung und Handschrift von 1925, die auf einem Doppelblatt französischen
Originaltext und alemannische Ubersetzung einander gegenüberstellt, auch graphisch als ein
Glanzstück dieser Sammlung.

Wie für jeden Markgräfler ist auch für Burte Basel zeitlebens die Stadt gewesen, »Stadt der Ber-
noulli, Bachofen, Burckhardt und Böcklin; der Messen und Masken, Mission und Musik«, Gebunsstadt
Johann Peter Hebels, dessen »bescheidener Schüler« sich Burte stets genannt hat, Geburtsstadt
seines ersten Verlegers Gideon Sarasin und seines ersten Förderers, des Basler Universitätslehrers
und Schriftstellers Carl Albrecht Bernoulli, in dessen Heim in Arlesheim der Dichter
»im heißen Sommer 1912« seinen vielumstrittenen »Wiltfeber« geschrieben hatte, Stadt seiner Basler
Freunde. Ihr hat Burte auch mit Gedichten seine Verbundenheit und Dankbarkeit bezeugt: so
auch mit dem als letztes Gedicht in diese Beispielsammlung aufgenommen mit »Basel« überschrie-
benen Sonett, das er an seinem 66. Geburtstag 1945 im Lesesaal der Basler »Allgemeinen Lesegesellschaft
« am Münsterplatz niedergeschrieben hat.

Die Handschriften dreier Gedichte der Sammlung sind Persönlichkeiten außerhalb der engeren
Heimat gewidmet: das Gedicht an Francis Bacon »in Freundschaft« dem Großindustriellen und
1922 als Außenminister der jungen Weimarer Republik von Rechtsextremisten ermordeten Walther
Rathenau, mit dem Burte 1912 bekannt geworden war und den er als seinen zweiten geistigen Förderer
betrachtet hat; die Ubersetzung des »Chanson d'automne« Verlaines seinem Mäzen und
Freund, dem Winterthurer Großkaufmann Werner Reinhart (gest. 1951); das Gedicht »Ähren in
das Grab« - später unter der Uberschrift »Mensch und Werk« veröffentlicht - dem Schweizer Komponisten
Othmar Schoeck (gest. 1957), den der Dichter im Hause Werner Reinharts kennengelernt
und für dessen Musikdrama »Das Schloß Dürande« (nach der Erzählung von Eichendorff) er das
Textbuch geschrieben hatte.

Wer Hermann Burte noch persönlich gekannt hat, wird in seiner Handschrift die Physiognomie
seiner vergangenen leiblichen, geistigen und künstlerischen Existenz bewahrt finden; wen Handschriften
ihrer optischen Qualität wegen interessieren, in seiner das Blatt großzügig überformenden
Graphik seine Doppelbegabung erkennen; wer sich mit der Textgeschichte befaßt, handschriftliche
und gedruckte Fassungen miteinander vergleichen und ihr gegenseitiges Verhältnis bestimmen wollen
und können. Und wer den - nicht leichten - Zugang zum Charakter, Denken und Fühlen Burtes
sucht, von dem schon in den zwanziger Jahren gesagt worden ist, daß man sich seiner im Guten wie
im Bösen nie ganz sicher sei, wird in seiner Handschrift den Glaubenden und Bejahenden, Irrenden
und Verneinenden, Willen und Gefühl: kurz, den ganzen Menschen mit seinem Widerspruch finden
. Für Jean Paul war es jedoch gewiß, daß — wie er sich in der Sprache seiner Zeit ausdrückte - kein
Unedler edel schreiben könne, weil die Handschrift keine Heuchelei erlaube. Wenn dies wahr ist,
dann zeugt auch hier die Handschrift für den Mann. Erich Will

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