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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 21
(PDF, 39 MB)
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Akten hinreißen lassen, die für viele Menschen hätten verderblich werden können - dann
wissen Sie, mit welchen Leuten Sie es zu tun haben.« (62)

Die Verteidiger versuchten ihr Möglichstes. Dr. Marx wies auf die Jugend und die
Vergangenheit seiner Mandanten hin und den Umstand, daß sie ausdrücklich nicht Menschenleben
gefährden wollten und zudem das Motiv hatten, Deutschland zu nützen.

Nach kurzer Beratung wurde das Urteil des französischen Kriegsgericht verkündet:
»Schlageter zum Tode,

Sadowski zu lebenslänglicher Zwangsarbeit,

Werner zu 20 Jahren Zwangsarbeit,

Becker zu 15 Jahren Zwangsarbeit,

Zimmermann zu 10 Jahren Zwangsarbeit,

Bisping zu 5 Jahren Gefängnis,

Kulmann zu 7 Jahren Gefängnis.« (63)
Eine Welle der Entrüstung erhob sich gegen dieses Urteil, gegen das die Verteidigung
Revision einlegte. Schlageters Name war in aller Mund. Der namenlose Soldat und Freikorpskämpfer
wurde überall zur beachteten Person der Zeitgeschichte. Kein Presseorgan
ging an ihm und seinem Schicksal vorbei. Am 15. Mai 1923 berichtete auch das
»Markgräfler Tagblatt« über »Das Düsseldorfer Todesurteil« auf der Titelseite: »Schlageter
ist wegen Beschädigung eines Bahnkörpers durch Sprengstoffe zum Tode verurteilt
worden.«

Herrschte Kriegszustand am Rhein und an der Ruhr, so würde man auch für die
Rechtsprechung der Besatzungsmacht Kriegsrecht gelten lassen müssen. Auch dann wäre
natürlich ein Deutscher, der dem französischen Kriegsrecht wegen einer Abwehrtat
zum Opfer fällt, unserer Achtung und Bewunderung wert. Im vorliegenden Fall aber hat
Frankreich für seine Rechtsprechung nicht einmal den völkerrechtlichen Deckmantel,
daß es sich im Kriegsrecht befindet. Es behauptet, die Besetzung des Ruhrgebiets sei eine
friedliche Handlung und es verwahrt sich dagegen, daß es von der deutschen Regierung
als »Feind« bezeichnet wird. Ist dem aber so, so ist die französische Justiz nicht nur eine
freche Anmaßung, sondern ein ebensolcher Völkerrechtsbruch wie die ganze Ruhraktion
. Es wäre deshalb wohl angebracht gewesen, auch gegen das Düsseldorfer Bluturteil
schärfste Verwahrung einzulegen« (64).

Dieselbe Zeitung veröffentliche zwei Tage später auf der ersten Seite einen Artikel mit
der Uberschrift »Gruß den Gefangenen« (65). Es ist eine bürgerliche Zeitung, kein reaktionäres
oder rechtsradikales Presseorgan gewesen. Der Artikel beginnt mit dem Satz:
»In den Zuchthäusern Rheinland-Westfalens, in lichtlosen Zellen, gepeinigt von Hunger
und Schmutz, preisgegeben den niederen Gelüsten französischer Henker, schmachten
sie, die Tausende deutscher Männer, die nichts verbrochen haben als ihrem Vaterlande
treu zu bleiben und die Hand der Verräter zurückzuweisen.« Der Artikel schließt: »In
den Kämpfen und Leiden unserer Tage, in der tiefen Not unseres Volkes denken wir Eurer
und harren mit Euch, den Treuesten der Treuen, auf die Stunde, da Euere Kerker sich
öffnen und Deutschland wieder frei wird.«

Das war im Mai 1923 die Stimmung und die Ansicht der Mehrheit des deutschen Volkes.

Wie so oft in ihrer kurzen Geschichte stand die kommunistische Partei abseits, versuchte
die schwierige Situation für ihre durchsichtigen Zwecke auszunützen. Sie inszenierte
im Ruhrgebiet Streiks und Aufstände, von den Franzosen im Rahmen ihrer separatistischen
Politik geduldet. Die »Times« kritisierte in England: »Die Besetzung des
Ruhrgebiets durch die Kommunisten und die Ausschreitungen in Dortmund und Bochum
(Ende Mai 1923; d. Verf.) seien ernste Ereignisse, die die Franzosen in dem Gebiet
, das sich unter ihrer starken militärischen Kontrolle befinde, nicht hätten gestatten
dürfen.« (65)

Die Revisionsverhandlung fand bereits am 18. Mai 1923 statt. Die französische Militärjustiz
wies alle Revisionsgründe zurück, so daß das Urteil vom 9. Mai rechtskräftig
wurde.

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