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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 39
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0041
als die »schlimmsten« in ihren Listen führten, während die separatistischen Umtriebe
naturgemäß erst später in Szene gesetzt wurden. Halbverständliche Warnungsstimmen
kamen schon 1920 an mich, kein Wunder also, daß mich mit einigen Amtsgenossen in
Trier die Ausweisung als ersten getroffen hat. Und doch habe ich im Unterrichte öfters
die Bedeutung und Notwendigkeit einer Versöhnung des deutschen und französischen
Volkes hervorgehoben, habe mit meinen Schülern in einer kommenden Völkerversöhnung
den Sinn des furchtbaren Geschehens im Weltkriege zu finden gesucht; der Unterrichtsstoff
und die graue Wirklichkeit führten aber noch häufiger dazu, die Schicksalsverbundenheit
der Rheinländer mit den übrigen deutschen Brüdern zu betonen und freimütig
die Hochziele französischer Politik und deren Mittel klar zu legen.

Dem Befehle, mich zum Abtransport zu stellen, leistete ich nicht Folge, und ein viermaliger
Versuch der Franzosen, mich gewaltsam abzuführen, schlug fehl. Um aber der
angedrohten »schweren Bestrafung« zu entgehen, habe ich mit dem Amtsgenossen Eisen
, der sich in gleicher Lage befand, das besetzte Gebiet auf Umwegen verlassen____

Der weitere Weg führte über Betreuungsstellen in Limburg und Kassel nach Berlin).
Bei meiner Ankunft in Berlin war die Betreuung der Ausgewiesenen vielfach erst noch
ein Suchen und Tasten nach dem richtigen Wege. Die Schwierigkeiten waren gewaltig,
aber da und dort ließ sich deutlich ein Widerstreben gegen die Anordnungen der Regierung
wahrnehmen. Daher wurde man in den ersten Monaten von einer Stelle zur anderen
verwiesen____

(Eine Beschäftigung fand Chr. schließlich an der städtischen Herderschule in Charlottenburg
und danach am Augusta-Gymnasium in Charlottenburg. Besonders schwierig
waren die Wohnverhältnisse. Die Rückkehr nach Trier erfolgte Ende 1926.) Ein Buch
von tausend Seiten fasste nicht alle Mühe, Enttäuschungen und Verluste, welche die
Ausweisung für mich im Gefolge hatte; daher denke ich im allgemeinen nur mit starker
Verbitterung an die Zeit von 1923/26 zurück....

Peter Eisen, Religionslehrer am Hindenburg-Gymnasium

Am 9.2. 1923 erhielt ich mit 5 Amtsgenossen morgens vor 8 Uhr meinen Ausweisungsbefehl
mit der Aufforderung, um 11 Uhr am Bahnhof zu sein; dieser Aufforderung
kam ich nicht nach; als ich mich mit einigen Herren im Casino beriet, kam Nachricht von
meiner Schwester, daß die Franzosen im Hause seien, um mich zu verhaften, und gesagt
hätten, daß ich wegen Gehorsamsverweigerung mit Gefängnis bestraft würde; um dieser
Strafe zu entgehen, flüchteten Amtsgenosse Christoffel und ich zunächst nach Urzig;
dort fand sich eine Gelegenheit mit einem Auto nach Siegburg und von dort nach Wissen
ins unbesetzte Gebiet zu gelangen____Für die erste Zeit waren wir (E. mit seiner Schwester
) bei Verwandten in Wissen, dann 3 Monate auf Schloß Schönstein bei Wissen untergebracht
. Meine vorgesetzte Behörde hatte uns an das P.S.K. (Provinzial-Schul-Kolle-
gium) in Kassel verwiesen; von dort wurden wir nach Berlin abgeschoben. (Dort zunächst
Unterricht am Mädchengymnasium der Ursulinen, dann Erkrankung). Uber die
Aufnahme im unbesetzten Gebiet durch Private kann man sich nur mit Dank äußern,
während man das nicht immer von den Behörden sagen kann, die oft mit wenig Verständnis
die Ausgewiesenen behandelten....

Nach fast anderthalb Jahren wurde mir von der Besatzungsbehörde ein zweimonatlicher
Urlaub gewährt; gleich in den ersten 24 Stunden wurde ich auf die französische Regierung
zitiert; ich ging nur in Begleitung von zwei deutschen Zeugen hin; hier erst erfuhr
ich, was für ein »Schwerverbrecher« ich in den Augen der Franzosen war. Denn die
Begründung meiner Ausweisung war damals die landläufige »Verhetzung der Jugend
etc.«. Ich habe damals an verschiedenen Stellen gegen diese Behauptung protestiert und
auch meine kirchliche Behörde hat in diesem Sinne Einspruch erhoben. Jetzt wurde mir
nun von dem stellvertretenden Oberdelegierten von Trier vorgehalten, daß ich die Seele

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