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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 44
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0046
Adolf Götte, Kaiser-Wilhelm-Gymnasium

Am 23. April 1923 wurde ich von der Rheinlandkommission ausgewiesen. Als Grund
wurde wie wohl allgemein bei Fachgenossen »Verhetzung der Jugend und antifranzösische
Propaganda« angegeben. Es ist mir nicht in Erinnerung, daß ich jemals ein Wort
über die Besatzung im Unterricht oder öffentlich gesagt hätte, im Unterricht hatte ich
auch keine Gelegenheit dazu, da ich damals nur Lateinisch und Griechisch in O I und
Griechisch in U II gab. Konflikt mit der Besatzung hatte ich nie gehabt. Mein Sohn war
einmal von der französischen Besatzungsbehörde mit 500 M im Jahre vorher bestraft
worden, weil er bei einem Ausfluge der Abiturienten auf der Landstraße die »Wacht am
Rhein« mitgesungen hatte. Ich hatte Direktor Dr. Kölligs, der angeklagt wurde, an dem
Demonstrationsstreik in Trier - auch die höheren Schulen hatten den Unterricht an diesem
Tage ausgesetzt - beteiligt gewesen zu sein, längere Zeit vertreten, ich vermute, daß
dies meine Ausweisung mit veranlaßt hat. Uber die Behandlung bei der Ausweisung
kann ich mich nicht beklagen____

Dr. Richard Winz, Friedrich-Wilhelm-Gymnasium

Am 24. 4. 1923 wurde ich während der ersten Unterrichtsstunde aus der Oberprima

heraus verhaftet____ Auf dem Bahnhof wurde ich bis zur Abfahrt des Zuges in einen

Raum gesteckt, der als Hauptzweck farbigen Truppen zur Unterkunft diente. Das Stelldichein
mit den Söhnen Afrikas, das an die 25 Eisenbahner und einige Amtsgenossen mit
mir teilten, gestaltete sich trotz des Ernstes der Lage zu einer mehr als komischen Scene.
Treuherzig versicherten uns die Leute immer wieder »nix bös«. Kam aber ein Franzose
weißen Geblüts in die Nähe, so nahmen die Schwarzen eine kriegerische Haltung an und
zeigten ein finsteres Antlitz. Dieser ständige Wechsel zwischen drohenden und freundlich
grinsenden Mienen hat mir den Aufenthalt bis zur Abfahrt des Zuges merklich verkürzt
.

Als Folge der Ausweisung ist meine Frau dauernd leidend, ein Kind, das in Dresden
geboren wurde, sehr zart geblieben. Die Wahrheit aber fordert hinzuzufügen, daß neben
den Franzosen eine Hauptschuld an dieser Tatsache die preußische »Betreuungs-«behör-
de in Cassel trägt, die mich und meine Familie in unserem Elend trotz inständigen Flehens
auf der Landstraße hungern ließ und dazu noch kränkte. Hätten wir nicht im Pro-
vinzialschulkollegium in Magdeburg Beamte mit fühlendem Herzen gefunden, so wären
wir zweifellos zugrunde gegangen.

Dr. Richard Heim, Friedrich-Wilhelm-Gymnasium

Als am 24. April 1923 morgens kaum die erste Stunde begonnen hatte, rief der Hausmeister
vom Schulhofe aus in die Klasse hinein: »Der Herr Geheimrat ist ausgewiesen.«
Daraufhin begab ich mich sofort in die Dienstwohnung des Direktors91 und fand dort
zwei französische Beamte vor, die mir, als sie meinen Namen hörten, auch den Ausweisungsbefehl
überreichten. Einer der Beamten begleitete mich zur Anstalt zurück, damit
ich dort Hut, Mantel und Mappe aus der Klasse holte; er forderte mich auf, keine Ansprache
an die Schüler zu halten, um Störungen zu vermeiden. Ich ging deshalb überhaupt
nicht hinein, sondern ließ meine Sachen durch Herrn Kollegen Schroeder holen.
Dann wurde ich mit einem französischen Auto in meine Wohnung gefahren und packte
eiligst die nötigsten Sachen ein. Der Franzose half mir dabei und trug sogar meinen Koffer
zum Wagen hinunter. Wir fuhren sodann zur Dienstwohnung des Direktors zurück,
um ihn abzuholen, und wir wurden zusammen zur Bahn gebracht. Dort fanden wir die
Studienräte Dr. Winz und Fischer sowie den Weinbaudirektor Landesökonomierat

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