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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 48
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0050
hatte. Ein Grund wurde mir nicht angegeben, auch kann ich keine begründete Vermutung
anstellen, da damals die Ausweisungen schon ganz planmäßig erfolgten. Sie vollzog
sich in den üblichen Formen ohne besondere Härte; ich hatte auch hinreichend Zeit,
meine Angelegenheiten zu ordnen.

Im unbesetzten Gebiet meldete ich mit gemäß der Ausweisung zunächst beim Provin-
zialschulkollegium in Kassel. Dort wurde mir mitgeteilt, daß mit einer Beschäftigung
einstweilen nicht zu rechnen sei und ich meinen Aufenthaltsort frei wählen könne. Ich
zog daraufhin nach Freiburg, der einzigen Stadt, in der ich Bekannte hatte; zugleich hatte
ich die Absicht, an der Universität meine Kenntnisse wieder aufzufrischen und zu erweitern
.

Zu dieser Zeit machte die Geldentwertung ihre größten Sprünge, und da es etwa zwei
Wochen dauerte, bis die jeweiligen Nachzahlungen mich erreichten, war ich in einigen
Tagen ohne jede Mittel und wurde von guten Freunden über Wasser gehalten...

Nach einigen Monaten empfand ich den Mangel an einer regelrechten Beschäftigung
sehr quälend, was besonders darauf zurückzuführen ist, daß ich infolge der Unsicherheit
meiner Lage keine größere Arbeit an der Universität übernehmen konnte. Als ich Ostern
auch noch keine Beschäftigung erhielt, wechselte ich meinen Wohnort und zog nach
München, wo ich vor allem Geologie studierte.

Während der Herbstferien erhielt ich die Erlaubnis zur Rückkehr, es dauerte aber
noch etwa einen Monat, bis ich meinen Dienst an der Schule wieder ausüben durfte.

Edmund Wansleben, Friedrich-Wilhelm-Gymnasium

Am 23. Oktober 1923 wurde ich morgens gegen 9 Uhr von zwei französischen Kriminalbeamten
aus dem Unterricht herausgeholt. Ich war, obwohl der passive Widerstand
schon seit einiger Zeit gekündigt war, ausgewiesen. Weshalb, erfuhr ich nicht, überhaupt
erhielt ich nichts Schriftliches von Seiten der feindlichen Besatzungsbehörde. (Es
folgte der übliche Transport bis Weilburg. W. ging dann nach Sigmaringen, wo er früher
Lehrer gewesen war.)...

... Meine Frau und Tochter reisten also einige Tage nach mir von Trier ab. Ob es damals
Pflicht der preußischen Regierung in Trier war, den genauen Zeitpunkt der Abreise
der Besatzungsbehörde zu melden, und ob es in diesem Falle keine Mittel gab, diese
»Pflicht« zu umgehen, vermag ich nicht festzustellen. Tatsache ist jedenfalls, daß meine
Frau und Tochter von einer Wachmannschaft von 10—12 schwarzen Franzosen am Bahnhof
in Empfang genommen und auf ihrer Fahrt bis Weilburg begleitet wurde. Zwei Kerle
mit aufgepflanztem Bajonett saßen im gleichen Abteil mit den Damen. Uber ihr Verhalten
während der Fahrt ist keine Beschwerde zu führen. Nur haben die Damen aus Angst,
die Kerle durch Nichtannahme zu verletzen, gelegentlich ihre Zigaretten mitrauchen
müssen und sie erzählen heute noch, daß sie im Cochemer Tunnellj) froh waren, im
Glimmen ihrer Zigaretten wenigstens eine Spur von Licht zu haben. - Der Aufregung
der letzten Trierer Tage und besonders der Eisenbahnfahrt mit den Negern waren die
Nerven meiner Frau nicht gewachsen. Völlig zusammengebrochen kam sie in Sigmaringen
an und hat dort den größten Teil des Jahres, in dem wir uns dort aufhielten, im Krankenhaus
zugebracht...

Kurz vor meiner Ausweisung hatten die Franzosen an allen Straßenecken in Trier Plakate
angeklebt, auf denen sie unter der höhnischen Uberschrift »Die ausgewiesenen Helden
« allerlei von dem geringen Entgegenkommen mitteilten, das diese bei den Behörden
jenseits des Rheins erführen. Solange ich noch in Trier war, hielt ich alles dies für Verleumdungen
. Jetzt aber selbst einer dieser »Helden«, war ich erschrocken darüber, wie
gut die Franzosen unterrichtet waren. Vor allen Dingen weiß ich wenig Dank meiner Betreuungsbehörde
, dem P.S.K. Cassel. Bei meiner Rückkehr nach Trier , im Oktober 24
wurde mir sogleich mein Hausrat von den Franzosen ausgehändigt...

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