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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 52
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0054
Ausgehend von der nationalsozialistischen Weltanschauung zeigt es sich, daß die zentrale
Wurzel, die Hauptwurzel also, nationalistisch-völkischer Art ist.
In ihr treffen vier Komponenten zusammen:

- der Kampf gegen das Judentum

- der Kampf gegen Rom

- der Kampf gegen Versailles

- der Kampf gegen die Demokratie.

Es ist bezeichnend, daß zumindest zwei dieser Komponenten nicht spezifisch deutsch
sind, daß sie Ausflüsse allgemein europäischer Strömungen sind. Sie finden sich im Faschismus
Italiens, im Bolschewismus Rußlands, bei den Franzosen Sorel und Gobineau,
in Österreich und in England. -

Bezeichnend ist auch, daß sie ihren Eingang in Deutschland gefunden haben zu einem
Zeitpunkt, als sie in ihren Ursprungsländern bereits beiseite geschoben und kaum oder
nicht mehr diskutiert wurden: Mussolini hatte seinen Frieden mit der Kirche, Gobineaus
und Sorels Theorien wurden in Frankreich nicht mehr ernst genommen. —

Bezeichnend ist aber weiter auch, daß der Deutsche in seinem Hang zur Perfektion
diese verstaubten Theorien noch ausgebaut und vervollkommnet hat, ja, daß er sie in seinen
Konzentrationslagern sogar praktizierte.

Judenpogrome, die gezielte Massenvernichtung ganzer Volksgruppen, die Menschen-
zuchtanstalten des Lebensborn und der Kirchenkampf beweisen dies beredt. -

Das spezifisch Deutsche, das in alle faschistischen Bewegungen Eingang fand, das war
der Kampf gegen die Demokratie, gegen den Parlamentarismus.

Spezifisch Deutsch ist dabei wieder eben aus den eingangs zitierten »Hauptmängeln
der Deutschen« heraus zu verstehen, die sich heute in einer Staatsverdrossenheit dokumentiert
und dem Drang nach einer starken Regierung, nach einer Vater- oder Führergestalt
in der Politik äußert. Dieser antidemokratische Gedanke verband sich in der Weimarer
Republik mit dem Kampf gegen Versailles.

Betrachten wir die Ausgangssituation, bevor wir uns Lörrach zuwenden. -

November 1918. Zusammenbruch der Monarchie, Kapitulation der deutschen Armeen
, Flottenmeuterei, Aufstände, Gefahren für das Reich von rechts und von links, hier
Freikorps, dort Spartakus und rote Brigaden.

Kurz zuvor war der neue deutsche Parlamentarismus an die Macht gekommen. Er
mußte von oben von der Obersten Heeresleitung sogar in die Macht geschoben werden,
in die Verantwortung. Das Volk als neuer Souverän war sich eben dieser Macht und auch
der daraus resultierenden Verantwortung nicht bewußt, verstand nicht, diese Macht zu
gebrauchen.

In preußisch-deutschem Untertanengeist erzogen, die alten Feldzeichen meist noch
mit sich führend, war es in der Vergangenheit verwurzelt. Und aus dieser Vergangenheit
, aus dieser nun zerbrochenen Welt, konnten sich auch die neu berufenen Vertreter
der Macht, die parlamentarischen Parteien, nicht lösen. Der Bruch mit der Monarchie
kam zu plötzlich, zu überraschend und dies, obwohl Sozialisten und Liberale, Demokraten
und Radikale über Jahrzehnte lang davon träumten.

Der Konservatismus verlor durch das allgemeine Wahlrecht seine Machtposition.
Durch die Lösung des Bundes Thron und Altar verlor er seine weltanschauliche Klammer
. Und das Heer, die Korsettstange der Konservativen, war in Auflösung. Daher war
der Konservatismus machtlos.

Der Liberalismus war über Nacht am Ziel seiner Träume: Gewaltenteilung: Lehrfreiheit
, parlamentarische Kontrolle, Rechtsgleichheit, Wegfall der Zensur - all die Forderungen
, für die hier in Baden ein Hecker und ein Struve kämpften - all das war erreicht.
Es gehört mit zur Tragik der Liberalen, daß er es nicht verstand, Idee und Wirklichkeit
zu verbinden, aus geschriebenen Programmen reale Politik zu machen, dies trotz Strese-
mann, trotz Rathenau, trotz Schiffer und Max Weber.

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