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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 57
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0059
tionale Demütigung durch den verlorenen Krieg. War es ein Wunder, daß das kleine
Volk sich gegen die Gruppe wandte, die wirtschaftlich gut oder zumindest besser gestellt
war? War es ein Zufall, daß Hitlers Ruf

»brecht die jüdische Zinsknechtschaft«
auf fruchtbaren Boden fiel?

Wie sehr dies alles wirkte, dafür ist Lörrach ein gutes Beispiel. Kaum hatte Hitler die
Macht ergriffen, forderte Lörrachs Geschäftswelt zum Boykott jüdischer Möbelgeschäfte
auf, wurden die Zeitungen aufgefordert, von Juden keine Inserate mehr aufzunehmen
. Zum Markt wurden keine jüdischen Händler mehr zugelassen, denn er sollte -
nach dem Vorschlag des Kampfbundführers - in »Braune Messe« umbenannt werden!

Golo Mann sagte über den 30. Januar 1933:
»Das hätte nie geschehen dürfen.«

Mit Recht stellte dieser kritische Beobachter der deutschen Geschichte fest - und das
beantwortet einen Teil unserer Fragen -:
Hindenburg - Kamarilla!

»Es ging letzthin mit rechten Dingen zu, wenn Hitler an die Macht kam, weil er
politisch der stärkste war und die vehementeste Volksbewegung gesammelt hatte
. Ist eine solche Bewegung einmal da, dann ist ihr Sieg allemal wahrscheinlich,
nach den Spielregeln der Demokratie und nach den Regeln der Geschichte.«
Das Ende von Weimar war nicht nötig. Der Staat hatte eine gute Verfassung. Viele der

führenden Persönlichkeiten haben sich bewährt, haben ihren Mann gestanden und viel

erreicht, trotz des Mißtrauens, das ihnen entgegengebracht wurde. Die Bewältigung der

Krisen in den ersten Jahren waren geschichtliche Leistungen.

Entscheidend war die politische Unreife des Volkes. Für die Demokratie war die Zeit

zu kurz und auch zu turbulent, diese Unreife, Unmündigkeit und Verständnislosigkeit

zu beseitigen. Die Integration Bürger-Regierung-Staat war nicht zustande gekommen.

Zu schwer lasteten Vergangenheit und Gegen wart auf dem Volk. Das gab den Ausschlag

für die Machtergreifung Hitlers.

Ich muß hier noch einmal Golo Mann zitieren. Er sagt - und ich stimme ihm voll zu:
»Sehr viele Deutsche wollten ihn bis zuletzt nicht und auch von denen, die freiwillig
für ihn stimmten, wollten die allermeisten nicht das, war er ihnen schließlich
brachte.«

Getragen vom Vertrauen von Millionen ergriff Hitler die Macht in Deutschland, um
in wenigen Jahren Deutschland in ein Chaos zu führen, die Welt in ein Blutbad zu stürzen
, ein Volk zu ruinieren, wie es bis dahin in der Weltgeschichte nie geschah. -

Ging dieses Geschehen, das ich aufgezeichnet habe, spurlos an Lörrach vorbei, wollen
wir uns abschließend fragen.

Wenden wir uns daher der Machtergreifung in Lörrach zu.

Der Montag, der 30. Januar 1933, war - wenn wir den beiden Lörracher Zeitungen,
dem »Oberländer Boten« und dem »Oberbadischen Volksblatt«, Glauben schenken -
ein Tag wie jeder andere für Lörrach. Nichts schien darauf hinzudeuten, daß es ein entscheidender
Tag, ein Tag von weltgeschichtlicher Bedeutung sein sollte.

Am 31. Januar wurde natürlich groß vermerkt, daß Hitler zum Reichskanzler gewählt
wurde, und es wurden Pressestimmen als Kommentare gebracht, Pressestimmen, die
wohlgemerkt zum großen Teil sehr positiv waren. Deutschland war erfüllt von Hoffnung
und Glauben. Nur eindeutig parteipolitische Organe sahen in der Regierungsbildung
eine Kampfansage.

Sicherlich hat der Lörracher Bürger beim Morgenkaffee mit großem Interesse und
auch beruhigt gelesen, wie das Ausland den Amtsantritt Hitlers beurteilte. Bei aller Zurückhaltung
waren die Berichte doch optimistisch. Und der Zweifler las in seiner Morgenzeitung
, daß die »französische Presse in dem Kabinett Adolf Hitler das Ende einer
schon lange fälligen Entwicklung der deutschen Politik« sah. Er las, daß Frankreich
»Deutschland um den gestrigen Tag beneidet«, denn »es sei am Ende eines Leidensweges

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