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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 58
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angelangt, den es seit 14 Jahren gegangen sei. Es werde durch Hitler gerettet, wie Italien
durch Mussolini gerettet wurde. Dagegen sei Frankreich zu beklagen.« - Mit Zustimmung
las man beim Frühstück Hitlers Programm:

»Rettung des deutschen Bauern zur Erhaltung der Ernährungs- und Lebensgrundlagen
der Nation, Rettung des Arbeiters durch einen gewaltigen und umfassenden
Angriff gegen die Arbeitslosigkeit.«
In Fettdruck sprang dem Leser Hitlers Wunsch in die Augen:

»Möge der allmächtige Gott unsere Arbeit in seine Gnade nehmen, unseren Willen
recht zu gestalten, unsere Einsicht zu segnen und uns mit dem Vertrauen unseres
Volkes beglücken.«
Soweit unsere Heimatpresse. Für sie war dieser Tag so unbedeutend, daß sie es 3 Tage
lang nicht für nötig hielt, über den Tag der Machtergreifung in Lörrach selbst zu berichten
. Erst am 3. Februar - und dann noch unter der Rubrik »Eingesandt« erfuhr der Leser
, daß nicht nur in Berlin ein Fackelzug für Hitler stattgefunden hatte, sondern auch in
Lörrach.

Hier sammelten sich am Abend des 30. Januars die auswärtigen SA-Stürme auf dem
Marktplatz, der von dichten Menschenmengen umsäumt war. Der Bericht schildert den
Fackelzug:

»Unter Vorantritt der Spielmannschaft des Sturmbannes marschierten rund 400
Mann SA, SS und HJ. In straffer Disziplin und Absingen von Kampfliedern ging
der Marsch durch die Straßen zum Kinderspielplatz.«

Dort sprach der Kreisleiter Boos über den Kampf der NS-Bewegung, gedachte der Toten
des Weltkriegs und der Toten der NSDAP. Boos schloß seine Ansprache mit dem
Gelöbnis, daß die Bewegung weiterkämpfen werde, bis auch der letzte Volksgenosse für
Adolf Hitler gewonnen sei.

Die Berichterstattung in der Heimatzeitung ließe fast vermuten, daß Lörrach in diesen
Tagen, in dieser Zeit, eine heile Welt gewesen ist. Doch dem war nicht so.

Lörrach war eine Arbeiterstadt, war Mittelpunkt einer krisenanfälligen Industrie und
war zudem Grenzland. Das zeigte sich bereits bei den Arbeiterunruhen zu Beginn der
Weimarer Zeit, als 1923 im September hier Barrikaden errichtet wurden und die proletarischen
Hundertschaften der Schutzpolizei ein Gefecht lieferten, das Tote und Verletzte
forderte. Eine schlechte Wirtschaftssituation bringt immer eine Radikalisierung.

In Lörrach zeigt dies sich an den Wahlergebnissen eindeutig. 1928 war die KPD mit
22 % stärkste Partei bei den Reichstags wählen. Die NSDAP — gleichfalls radikal -, war
mit 0,3 % eine unbedeutende Randgruppe. Mit dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise
wurde die Tendenz erst deutlich. Die KPD erreichte 27 %, die NSDAP war bereits
bei 15 % angelangt und hatte die SPD überrundet.

Die Reichstags wählen 1932 bestätigten diesen Trend. Im Juli 1932 war in Lörrach die
NSDAP die stärkste Partei mit über 3600 Wählern, gefolgt von der KPD mit 2500. Abgeschlagen
waren das Zentrum mit 1400 und die SPD mit 1100 Stimmen. Auch in der für
Hitler rückläufigen Novemberwahl behauptete sich die NSDAP in Lörrach als stärkste
Partei mit 2700 Stimmen vor der KPD mit knapp 2600. Zentrum und SPD zusammen
waren mit 1600 und 1000 Wählern schwächer als die Nationalsozialisten.

Diese Zahlen zeigen, daß Lörrach ein Musterfall in der politischen Radikalisierung
von links und rechts war.

Wir brauchen heute den Linksradikalismus nicht betrachten. Unsere Aufmerksamkeit
soll der damals verhängnisvollen Rechtsbewegung gelten.

Sie führte in den ersten 20er Jahren in Lörrach ein Schattendasein. Angeblich bestand
seit 1922 eine Ortsgruppe, doch erst mit Reinhard Boos entstand eine schlagkräftige
NSDAP-Organisation in der Dreiländerecke. Auf Kommunalebene stellte sie sich erstmals
im Herbst 1930 zur Wahl und wurde nach KPD und Zentrum dritte Kraft in der
Stadtverordnetensammlung. Mit der bürgerlichen Mehrheit wurde als Obmann des Bürgerausschusses
ein Nationalsozialist gewählt.

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