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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 59
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0061
Boos war ein guter Agitator, war angesehen und ungeheuer engagiert auch auf kommunaler
Ebene. Und ihm liefen die Leute zu, Leute aus allen Schichten des Volkes, vom
Arbeitslosen, der hungerte, über den Gewerbetreibenden und Handwerker, der sich so
durch die Wechselfälle der Zeit durchschlug, bis zum gesicherten Beamten und gutsituierten
Freiberufler.

Ich nenne bewußt keine weiteren Namen. Auch diese Männer glaubten und waren
überzeugt, in dieser Zeit richtig zu handeln.

Reinhard Boos war geschickt. Auf dem Höhepunkt der Krise, um die Wende des Jahres
1931/1932, als die Arbeitslosenzahl erheblich angestiegen und durch den harten Winter
die Not besonders groß war, beantragte er bei der Stadt ein Grundstück zur Erstellung
einer Volksküche. Angesichts des Hungers, angesichts einer Not, wie wir sie uns
heute nicht mehr vorstellen können, gab die Stadt für diese NS- oder SA-Küche ein
Grundstück. Eine große Baracke wurde darauf erstellt, finanziert aus den Stadtratsbezügen
der Nationalsozialisten, gekauft vom Kraftwerk Schwörstadt. Sie war nicht nur
Volksküche, sondern auch Versammlungsort der Nationalsozialisten. Bei der Einweihung
wurde das Programm der Bewegung formuliert. Im »Oberbadischen Volksblatt«
wird der Festredner zitiert:

»Der Anziehungspunkt unseres Programmes ist die Schaffung einer inneren
Front durch ehrliches soziales Verständnis und damit durch Uberbrückung der
großen Kluft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie durch Hinführung
der wertvollen Teile des Arbeiterstandes zum nationalen Selbstbewußtsein.«
Auch hier sehen Sie die Etikettierung national und sozial, Werte, die beim Volk, beim
Wähler ankamen, die Hitler und seiner Bewegung Aufschwung gaben. Das Volk glaubte
daran, und es hoffte darauf. -

Es wäre nun interessant, den Weg in Lörrach weiterzuverfolgen. Dazu fehlt uns die
Zeit. Halten wir aber noch ein paar Fakten fest.

Der fast unbeobachteten Machtergreifung folgte eine fast ebenso leise Gleichschaltung
in Lörrach. Trotz Beschränkungen für andere Parteien und Terror gelang es der Hitlerbewegung
nicht, bei der Wahl am 5. März 1933 die absolute Mehrheit zu bekommen.
Zwar stimmten über 4700 Lörracher für Hitler, 2500 für die KPD, nur 2000 für das Zentrum
und 1200 für die SPD. Doch Hitler war an der Macht und ließ sie sich nicht mehr
streitig machen. Der Kampf gegen die Demokratie und gegen Parlamentarismus wurde
auf dem Verordnungswege geführt. Der erste Schritt war die Anpassung der Bürgerausschußsitze
an das Reichstagswahlergebnis anfangs April. Dem folgte die Ernennung von
Kreisleiter Boos zum Kommissar der Stadt am 19. April.
Zum 1. Mai 1933 erließ der Kampfbund den Aufruf:

»Reicht unserem Führer die Hand und sorgt dafür, daß am Feiertag der nationalen
Arbeit der Bauer und der Handwerker, der Arbeiter und der Beamte geschlossen
unter dem Banner der nationalen Revolution marschieren und gemeinsam
helfen am Wiederaufbau unseres geknechteten Vaterlandes.«
Es war — nach den Berichten der Zeitungen — eine machtvolle Kundgebung. Lörrach
marschierte in die neue Zeit!

Die alte, vergangene, ehrlose Zeit versuchte man zu verdrängen, oder müssen wir sagen
- zu bewältigen mit dem Schauspiel einer Bücherverbrennung am 24. Juni 1933.

Endpunkt der Machtergreifung in Lörrach war der 29. Juni. Bürgermeister Dr. Graser
gab - unter Druck - wie er sagte, den Weg

»frei für den Aufbau eines nationalen Staates und einer mit ihm verknüpften und
verwurzelten Wirtschaft«.
Der Wahlleiter verkündete, daß

»der Vorkämpfer des Nationalsozialismus, unser Parteigenosse Kreisleiter Reinhard
Boos einstimmig mit 20 Stimmen zum Bürgermeister der Kreishauptstadt
Lörrach gewählt worden sei«.

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