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de und Mensch, Kreatur und Natur, Vergangenheit und Gegenwart, Kunst und Philosophie
, nichts, aber auch gar nichts blieb in seiner Dichtung ausgespart.
Burte erzählte dann von der harten Arbeit des Dichters und auch davon, daß die Feder
gelegentlich eingetrocknet ist und nichts aus ihr herausfließen will. Er gab auch Beispiele
für sein stetes Bemühen um Versmaß, Inhalt und Wortlaut. Er war ja ein echter Wortgestalter
. Sein Gedicht »Birnen* aus »Ursula*, dem ersten Band hochdeutscher Gedichte,
1930 erschienen, mag das verdeutlichen:
»Junge Birnen stehen, kaum entblütet,
Von den grünen Blättern zart behütet,
Auf den Stielen leicht und licht und streben
Nach der Sonne hin, dem Born, und heben,
Von den Sonnenstrahlen zart betastet,
Ihre grünen Stirnen unbelastet.
Aber weil sie Erdenwasser trinken,
Müssen sie wie Wasser niedersinken,
Aber weil sie schweren Grund verzehren,
Müssen sie zum Grunde wiederkehren.
Langsam sinken die gereckten Dolden,
Werden müder, voller, braun und golden,
Lassen ab vom Sonnensuchetraume,
Wuchten schwer am übervollen Baume,
Beben bang im Griff der Vogelfüße,
Schnäbel hacken in die milde Süße,
Wilde Winde wehen, und die schwerste,
Vollste, höchste Birne fällt als erste
In der klagend sinkenden Gebärde
Eines reifen Hauptes nach der Erde!«
Burte erzählte schließlich von seinem nächsten Werk, damals in den fünfziger Jahren.
Es sollte »Stirn unter Sternen* heißen, und er gab auch davon fragmentarische Beispiele,
alles aus dem Stegreif: Ein Fünfundsiebzigjähriger von lebendigem Geist, überdurchschnittlichem
Gedächtnis, starkem Willen, eigensinnig aber auch und trotzig-ein richtiger
Markgräfler Dickschädel, wenn ich das so sagen darf. Er war auch einer, bei dem Sinnenfreude
und geistiger Höhenflug zusammengehörten; ungebrochen auch im Selbstbewußtsein
. Ich erlebte diesen Fünfundsiebzigjährigen, wie er in einem Gedicht selbst einmal
geschrieben hat:
»Nichts von Untergang und Alter!
Jeden Tag ist neu die Welt,
Wenn ein wissender Gestalter
Ihren Stoff in Händen hält.«
Damals war Burte noch ein wissender Gestalter und hielt den Stoff in Händen.
Diese persönlichen Begegnungen, meine Damen und Herren, wurden für mich, den
knapp Dreißigjährigen, zu Sternstunden und bleiben zeitlebens unvergessen.
Burtes Werk
Und danach? - werden Sie fragen. Ich las einige Gedichte, sah 1955 in einer Müllhei-
mer Ausstellung Gemälde aus Markgräfler Privatbesitz und lernte Hermann Burte auch
als Maler kennen, als eine echte Doppelbegabung. Ich lernte ihn vor allen Dingen allmählich
noch besser kennen als Dichter und wurde bestärkt in meinem Urteil: Hermann
Burte ist die stärkste dichterische Begabung im alemannischen Raum seit Johann Peter
Hebel. Wie sehr er sich von seinem immerwährend verehrten Vorbild Hebel indessen
entfernt hat, das wird deutlich in einem Wort Anton Fendrichs, der es einmal so formu-
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