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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 90
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0092
liert hat: »Von Hausen bis Maulburg ist es ein Sprung, von Hebel zu Burte eine Weltreise
!« - Wie recht hat er damit!

Als Hermann Burte 1960 starb, kannte ich immer noch zu wenig von ihm. Erst bruchstückhaft
war sein Schaffen bei mir. Ich besaß weder seinen »Wiltfeber« noch seine
»Madlee« oder irgendeines seiner zahlreichen anderen Werke - es waren mehr als zehn.
1976 aber konnte ich in einem Antiquariat sein alemannisches Gedichtbuch »Madlee«
auftreiben und verschlang es. Es ist 1923 erschienen, das Kernstück von Hermann Bültes
Dichtung und aus seiner Seelenmitte hervorgeblüht. Die darin behandelten Themen:
Volk, Weib, Gott und Ich zeigen die Spannweite, das ganze Universum, von der Macht
der Liebe durchdrungen. Dreh- und Angelpunkt aber dieses Werkes und der späteren
Werke, die Burte schreibt, bleibt die Heimat am Rhein, dort, »wo der Rhy go Norde
zieht«. Kernstück, Dreh- und Angelpunkt bleiben aber auch die Menschen hier am
Rheinknie und ihre Schicksale. Hätte Hermann Burte nur diese alemannischen Gedichte
geschrieben, sie allein würden ausreichen, ihm den ersten Platz nach Hebel zuzuweisen.
- Ich muß mir versagen, weitere Gedichte aus der »Madlee« vorzutragen.

Nun darf ich fortschreiten. Diese »Madlee« hat Hermann Burte große Ehrungen gebracht
. 1924 wurde er Ehrendoktor der Universität Freiburg; 1927 erhielt er den Schil-
lerpreis, und 1936 war er der erste in der Reihe der Hebelpreisträger.

Lange vor dem Erscheinen der »Madlee«, schon im Jahre 1911, schrieb Hermann Burte
sein erstes erzählendes Buch »Wiltfeber«. Teile davon spielen auch hier in Grenzach,
insbesondere das Schlußbild. Ich las dieses Werk erst vor wenigen Wochen, und ich sage
es Ihnen ganz frank und frei: Ich war teilweise befremdet, teilweise sogar schockiert von
seinem Inhalt. Mir stellt sich die Frage: Sind es die Erfahrungen unserer jüngsten Geschichte
, die uns so betroffen machen? Sind es die Parallelen, die da auftauchen? Wie
kam Hermann Burte, der damals Dreißigjährige, schon 1911 zu solchen Aussagen? Was
meinte er damit? - Hören wir, was er selbst darüber einmal geschrieben hat:

»Eine Dichtung sollte es sein in der Form eines weitgespannten Gerichtstages.
Menschen und Dinge der großen Welt sollten geprüft werden in der engen, aber
geliebten deutschen Heimat am Oberrhein. Hebel, der liebliche, war der Lehrer
meiner Kindheit gewesen, Gotthelf, der mächtige Alemanne, der Meister meines
Denkens und Glaubens. Da schien mir, wenn ich die Heimat, diesen Kern der
Welt, an dem Bilde maß, das ich mir im Geiste der beiden Vorbilder von ihr gemacht
hatte, viel edles geistiges und dingliches Gut rettungslos unterzugehen,
und ich trauerte ihm nach. Was ich als Sohn des Volkes empfand, das sprach ich
als Kind der Zeit in einer Sprache aus, die bewußt vom Volksmund Worte und
Wendungen sog.«

Als Sohn des Volkes hat sich Hermann Burte hier gesehen, und in die Seele des Volkes
schien er mir hineingehorcht zu haben. Ohne Würdigung des zeitgeschichtlichen Hintergrundes
, in dem Hermann Burte aufwuchs, gibt es deshalb nach meiner Uberzeugung
keine zutreffende Beurteilung seines Werkes.

1879, im Kaiserreich, ist er geboren, in bäuerlicher, frühindustrieller Umgebung aufgewachsen
, deutschnational von Gesinnung wie damals viele Deutsche, von Nietzsche
stark beeinflußt. So erkennt er die brüchig gewordene Gesellschaft, sieht die Gefahren
der einsetzenden Industrialisierung, schildert die Entfremdung des Menschen, seine
Entwurzelung von Haus und Hof, die Loslösung von Sitte und Brauch. Der eigenwillige
Alemanne sucht nach einer Antwort und glaubt sie in der Besinnung auf alte preußischdeutsche
Normen und Werte zu finden. Heute, siebzig Jahre danach, wissen wir, daß
diese Ideologie und diese ideologische Verengung ein Irrtum waren. Und gestern wie
heute gibt diese ideologische Verengung Anlaß zu Mißverständnissen und Fehlinterpretationen
.

Im Zusammenhang mit »Wiltfeber« und einzelnen Gedichten und Reden gerät so
Hermann Burte, insbesondere nach seinem Tode - was ich ganz besonders bedauere - ins
Kreuzfeuer der Meinungen. Ich habe diese emotional geführte Auseinandersetzung nur

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