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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 112
(PDF, 39 MB)
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u. Volk 1556- 1956, S. 52). Wenigstens der aus meiner weiteren Heimat stammende,
durch die Gegenreformation aus Königshofen a. d. Tauber vertriebene Pfr. Nikolaus
Höniger in Kirchen 1583- 87 sei als einer der vielen ebenso patriotischen wie tapferen
Geistlichen Efringens nach der Ref. zitiert, da er u. a. auch gegen die damals besonders
grausame Behandlung der Indianer durch die erobernden und ausbeutenden Spanier geschrieben
hat.

Es gab aber nicht nur »soziale« Gründe, die einen schlecht ausgebildeten und schlecht
bezahlten niederen Klerus seine seelsorgerlichen Aufgaben in den Gemeinden schlecht
ausüben ließen, im Jahrhundert vor der Reformation allenthalben in der abendländischen
Christenheit. Es gab auch moralische Gründe, welche diesen Klerus in den Augen
ihrer Pfarrkinder immer unglaubwürdiger erscheinen ließen. Im Visitationsbericht des
Bischofs von Konstanz vom Jahr 1550, also 6 Jahre vor Einführung der Reformation in
unserer Markgrafschaft, wird von den zuständigen Dekanen lediglich verlangt, ihren
Geistlichen das ärgerliche, unzölibatäre Leben zu verweisen, ein Befehl, der nicht selten
an denselben Dekan erging, dem aus dem gleichen Grunde ernstlicher Vorhalt gemacht
worden war. Kluckhohn1' schon stellte fest, daß allein in einem Jahr im Bistum Konstanz
damals 1500 »Pfaffenkinder« geboren wurden. Das war zwar gegen das Zölibatsgebot.
Der Bischof war es jedoch zufrieden, wenn ihm jedes Kind gemeldet und dafür 4-5 Gulden
gezahlt wurden, was zusammen pro Jahr immerhin bis zu 7500 Gulden ausmachte,
damals ein schönes Vermögen. Das System ist durchaus mit dem heutigen Bußgeldsystem
der Polizei für Parksünder zu vergleichen. Der Graf Egon v. Fürstenberg hat nach
der Pfarrvisitation in seinem Gebiet ao. 1550 die süffisante Frage gestellt: »Wer aber visitiert
den Visitator und die droben?«

Es war darum sicher wirkungsvoller, wenn, wie hier im Markgräflerland unter Markgraf
Ernst, die weltliche Obrigkeit selber zuweilen statt der geistlichen in solchen sittenwidrigen
Zuständen eingriff und für Ordnung sorgte. Es war auch im Sinne des Ansatzes
von Martin Luther 1520, als er sich direkt »an den christlichen Adel deutscher Nation«
wandte und von ihm »des christlichen Standes Besserung« forderte. Wiewohl dieser
Markgraf Ernst selbst, wie gesagt, nicht mehr zur Durchführung der Reformation hier
schritt und sie seinem Nachfolger Karl II. überließ, den das Volk daraufhin (übrigens
ebenso wie meinen damaligen Landesfürsten, den Markgrafen Georg von Ansbach!)
dankbar als den »Frommen« ehrte, forderte er doch schon 1538 die Austeilung des
Abendmahls unter beiderlei Gestalt und 1539 die Priesterehe, eine Forderung, auf die
sich bekanntlich die katholische Hierarchie bis heute nicht einließ, obwohl seit zwei
Jahrzehnten auch im Katholizismus eine starke Befürwortung im Gange ist.

Kommen wir schließlich zur Frage, warum dieser evangelisch gesinnte Markgraf
Ernst, der sich einen evangelischen Hofprediger hielt in dem Württemberger Jakob
Truckenbror^, den er sogar als Bischof des badischen Oberlands vorgesehen hatte mit
»einer ehrlichen Besoldung damit er zwo Klepper halten möcht« zu Visitationszwecken,
sie nun doch nicht schon während all der Jahrzehnte zwischen 1520 und 1550, als alle anderen
reformatorisch gesinnten Fürsten und Städte zur Einführung der Reformation
schritten, das gleiche unternahm? War er im Unterschied zu jenen zu ängstlich, ein Hasenfuß
, ein letztlich unentschiedener Mann oder was?

Markgraf Ernst ist nicht Mangel an Entschlußkraft vorzuwerfen. Sondern hier müssen
wir uns einmal sein Gebiet näher ansehen. Es war vollständig umgeben von österreichischem
Besitz, das von Erzherzog Ferdinand mit eiserner Fuchtel im altgläubigen Sinn
gehalten wurde. Da war die Markgrafschaft Hochberg nördlich von Freiburg Enklave
im vorderösterreichischen Breisgau und südlich davon die Herrschaften Osenberg, Badenweiler
, Rötteln und Sausenburg. Auf Schopfheim und Rötteln erhoben die Österreicher
rechtliche Ansprüche, die sie aus ihrer sundgauischen Vogtei über das später niedergebrannte
Kloster Murbach im Elsaß ableiteten, das in Schopfheim, Rötteln und Todtnau
Besitzungen hatte, die aber längst nicht mehr bestanden. Markgraf Ernst konnte an
der Reaktion Österreichs auf die Reformation in Waldshut, Konstanz und Kenzingen

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