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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 117
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0119
Die wahre Absicht des Kaisers war die Lösung der deutschen Religionsfrage durch
Gewalt. Zu diesem Zwecke erfolgte die Verständigung mit Franz von Frankreich. Der
Schmalkaldische Krieg begann. Aber Luther war beim Ausbruch nicht mehr unter den
Lebenden. Doch durch Moritz von Sachsen verwandelten sich des Kaisers Siege in Niederlagen
. Karl V. dankte ab. Er überließ Deutschland seinem Bruder Ferdinand. Der
mußte zunächst den Passauer Vertrag schließen, der dann zum Augsburger Religionsfrieden
führte. Die Parallele zum 2. Kappeler Frieden ist evident.

Luther erwuchs sehr bald eine »zweite Front«. Es waren Leute, denen Luther nicht
weit genug ging, da er nach ihrer Meinung auf halbem Wege stehengeblieben war. Von
der Schweiz aus breiteten sich die Tauf gesinnten aus. Sie verwarfen die Taufe von Kindern
, da sie in der Bibel nicht ausdrücklich gefordert sei. Zwingli hat in vielen Schriften
und Disputationen diese Ansichten zu widerlegen versucht. Es steckte ein anderes Bibelverständnis
hinter den Argumentationen der Tauf gesinnten, als es die Reformatoren vertraten
. Diese sogen. Wiedertäufer erklärten die Taufen der Großkirchen für ungültig. Sie
verlangten eine neue, die sog. »Geisttaufe« und vollzogen sie auch in fließenden Gewässern
.

Damit setzten sie sich in Widerspruch zum Reichsrecht, das ja die Bestimmungen Ju-
stinians übernommen hatte. Hinzu kam noch, daß diese 2. Front sich verbündete mit
den »Unzufriedenen im Lande«, mit den Bauern. Viele Tauf gesinnte waren ja bäuerlicher
Herkunft. Die Unzufriedenheit der Bauern bestand schon lange. Im nördlichen Baden
, in Nikiashausen an der Tauber, übernahm der Pfeiferhänsle 1476 diese Stimmungen
und rief auf zum Marsch nach Würzburg, versammelten sich doch oft 30'000 Menschen
um seinen Predigtstuhl im Freien. Auch hussitische Gedanken kommen bei ihm vor.

Der »Bundschuh« formierte sich im rechtsrheinischen Gebiet des Bischofs von Speyer
, in Bruchsal und Umgebung (1502). Joß Fritz von Untergrombach wurde der nimmermüde
Agitator, zeitweise weilte er in Lehen bei Freiburg und gewann auch den dortigen
Pfarrer für die Sache der Bauern. Der Bundschuh organisierte sich in der Form einer
kirchlichen Bruderschaft; auf der Fahne prangte ein Bild der bäuerlichen Fußbekleidung
. In Württemberg nannte sich die Bewegung »Der arme Konrad«. Das Wort war im
schwäbischen Dialekt doppelsinnig, Konrad wurde gedeutet als kon rat = kein Rat."

Auch Thomas Müntzer hatte in Prag hussitische Gedanken übernommen, und zwar
vom radikalen Flügel der Hussiten, den sogen. Taboriten. Müntzer hat 2 Monate in
Grießen, im heute badischen Klettgau, das Pfarramt verwaltet, Dezember 1504 bis Januar
1505. Die Zürcher Tauf gesinnten trafen sich bei ihm. Balthasar Hubmaier, Pfarrer in
Waldshut, der sich hatte wiedertaufen lassen, war der Vermittler. Müntzer selber war
von Hause aus kein Gegner der Kindertaufe. Er hat sie selber in seinen Gemeinden ausgeübt
, wie er selbst bezeugt. Andererseits gefielen den schweizerischen Tauf gesinnten
die liturgischen Bestrebungen Müntzers ganz und gar nicht. Sie lehnten jede Liturgie ab.
Gab es doch unter den Zürcher Tauf gesinnten Leute, die jede Art von Kirchengesang ablehnten
mit der eigenartigen biblischen Begründung: »Singet und spielet dem Herrn in
eurem Herzen« (Kolosser 3,16; Epheser 5,19). Es war eine merkwürdige Allianz, die
schweizerischen Taufgesinnten waren keine Revolutionäre, und Müntzer war kein Wiedertäufer
. Aber das Unbehagen am Zustand auch der sich bildenden reformatorischen
Kirchen führte sie zusammen.

Müntzer verlangte die Vernichtung der Gottlosen. Das war sein eigentliches Ziel. Er
suchte es zunächst mit den Fürsten zu erreichen. Er durfte am 13. Juli 1524 auf dem
Schlosse zu Alstedt vor Herzog Johann von Sachsen und dem Prinzen Johann Friedrich
predigen. Müntzer wählte als Text Daniel 2, das Kapitel vom Sturz des Weltenkolosses.
Müntzer meint - im Gegensatz zu Matthäus 13,24-30 - daß es jetzt Zeit der Ernte sei und
das Unkraut ausgerissen werden müsse. Die Fürsten haben von Gott das Schwert erhalten
. Sie müssen es gebrauchen, um die Gottlosen auszurotten. Die Gottlosen haben kein
Recht zu leben. Es dürfte die blutrünstigste Predigt sein, die je gehalten worden ist. Sie

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