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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 129
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0131
chen Briefe an sie ist erhalten. In ihrer lebendigen Unmittelbarkeit, Innerstes teils offenbarend
, teils spielerisch verbergend, zählen sie zu den schönsten Zeugnissen von Hebels
Kunst und der Briefgattung überhaupt. Verloren sind jedoch die Antworten Gustaves,
und dies trägt dazu bei, daß über beider Beziehung ein Schleier des Rätsels hegt, an dem
die Nachwelt vielfach zupfte, ohne ihn je zu heben.

Der Dichter Hebel hat immer ein außergewöhnliches Interesse auch auf seine eigene
Person gezogen. Gründe hierfür sind in der Eigenart seiner Werke ebenso angelegt wie
in seiner Persönlichkeit und dem Lebensschicksal. Schon die »Allemannischen Gedichte
« , anfänglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt und in der Dialektsprache damals
gewissermaßen Privates, erschienen als sehr persönliche Dichtung abseits literarischen
Getriebes, in das sie jedoch bald hineingerieten, zu Hebels Stolz und Unbehagen zugleich
. Als »Rheinländischer Hausfreund« hat Hebel das persönliche Herantreten an
den Kalenderleser geradezu zum Stilprinzip erhoben, hierin nie wieder übertroffen. Gewiß
fand Hebels Dichtkunst bald höchste Anerkennung, wurde Gemeingut der Weltliteratur
, aber sonderlich wurde er zur verehrten Dichterperson einer liebenden Gemeinde
, im Regionalen zumal, die sich des Werks wie des Autors in einem annahm. Es ist kein
Zufall, daß solche Zuneigung immer wieder seltsame Sprossen und Blüten trieb, wie das
schon Hebelbildnisse aus früher Zeit zeigen oder etwa die Legendenbildung ums Vrene-
li. Vielleicht hegt gerade in solcher Gestimmtheit eine Ursache philologischer Vernachlässigung
, unter der, wie im folgenden zu zeigen ist, die Edition von Hebels Briefen, aber
auch etwa der »Allemannischen Gedichte« bisher zu leiden hatten.

In den erhaltenen Briefen Hebels an Gustave Fecht finden sich neben vielen unversehrten
auch einige wenige Fragmentstücke. Eines davon lautet in der Originalhandschrift
:

...»da war ich sehr düster u. gedrükt. Jezt wünschte ich nur eine Stunde wieder
bey Ihnen zu seyn, nur alle Tag eine Stunde, Vormittag eine, u. Nachmittag eine,
ausgenommen am Sontag, zwey [,] am Montag drei, am Dienstag vier, am Mittwoch
fünf u. am Donnerstag sechs, oder gleich alle Tag zwölf. Mein Gemüth ist
Ihnen nie näher, als wenn ich weit von ihnen bin, u. ich habe immer etwas mit
Ihnen zu plaudern, bis ich einmal hinauf komme, alsdann hab ich nichts.

Auch bin ich seitdem viel munterer im Geschäft. Heut Vormittag hab ich alles
aufgearbeitet. Ists möglich? Und habe heut nichts mehr zu thun, als diesen Brief
zu schreiben, u. einen«...
Dieses Bruchstück wurde erstmals veröffentlicht von Wilhelm Zentner, in der Ausgabe
der Briefe an Gustave Fecht (Karlsruhe, C. F. Müller, 1921); die angenommene Datierung
war »November 1796«, die Orthographie modernisiert, zweimal finden sich
Wörter fehlerhaft umgestellt. Die beiden von Zentner besorgten Gesamtausgaben der
Briefe Hebels (1939 und 1957) halten an der Datierung fest, nähern die Rechtschreibung
wieder dem Original an und bewahren die fehlerhaften Wortumstellungen. Es ist anzunehmen
, daß Zentner seinen drei Redaktionen einheitlich eine Abschrift des Fragmentes
zugrundelegte und weitere Prüfungen des Originals unterließ.

Wilhelm Altwegg zitierte das Bruchstück in seiner meist trefflichen Hebel-Darstellung
(Frauenfeld/Leipzig, 1935, S. 78 f) nach Zentners Erstdruck und verzichtete offenbar
ebenfalls auf einen Vergleich mit dem ihm zugänglichen Manuskript. Er rückte es in
einen bedeutsamen Zusammenhang mit der oben wiedergegebenen Briefstelle über »Liehen
pubescens« und vermutete, daß im Oktober 1796 eine endliche Klärung und Entscheidung
zwischen Hebel und Gustave erfolgt sei, deren Gründe jedoch im Dunkel
bleiben, da neben diesen beiden Zeugnissen Hebels kein Wort Gustaves nähere Kunde
gebe.

Auch anderen hatte es dieses Fragment angetan, es gehört zu den meistzitierten Briefstellen
Hebels überhaupt, bis in die jüngste Zeit. Eberhard Meckel stellt es als das »viel-
umrätselte Brieffragment von November 1796« vor (in: J. P. Hebels Werke, Insel Verlag
1968, Bd. 2, S. 478). Uli Däster sieht die Stelle ebenfalls in einem Entscheidungszu-

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