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sammenhang des Jahres 1796 (J. P. Hebel in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten,
Rowohlts Bildmonographie, Hamburg 1973, S. 51). Außer dem eigentlichen Inhalt
machte zweierlei dieses Fragment so interessant: zum einen die Spekulation auf das nicht
Erhaltene, wahrscheinlich von Gustave Abgerissene, zum andern die Datierung unmittelbar
nach Hebels Rückkunft von der ersten Besuchsreise ins Oberland und in zeitlichem
Zusammenhang zur oben zitierten Bemerkung an Gmelin.- Die Datierung jedoch
ist mit Sicherheit falsch!
Hebels Briefe an Gustave Fecht befinden sich unter der Standort-Nummer H 94 in
der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Dem Kenner von Hebels Handschrift zeigt
schon der erste Blick, daß die Schrift des Fragments nicht dem Jahre 1796 zuzuordnen
ist. Zentner hat dies überraschenderweise nicht gesehen und überdies unbeachtet gelassen
, daß auch die Rückseite des Papiers von Hebels Hand beschrieben ist. Der Text dort
lautet:
»... 107. fl 21 kr ge ... (Textlücke) Anno 1799. Der Monat (war nicht) deutlich
ausgedrückt. Das Wort sieht so aus: (folgt in zwei Ansätzen die Nachzeichnung
der Schrift) u. es fehlt ein Strich, daß man nicht weiß, solls April heißen, oder
September. Aber es wird wohl April seyn. Dis vor ausgesezt betrüge der Zinß für
12. Jahre u. 7. M. 67 fl 42. kr, woran ich 44 fl bezahlt habe. Es wäre also noch zu
bezahlen
Capital 107 ü 21.
Zins 23 fl 42.
Summe: 131 fl 3.
Ich bitte aber den H. Pf. es nachzurechnen, obs richtig sey. Die Süßinn ist sehr
froh u. dankt mir ganz entsetzlich.
Ich bin in diesem Augenblick sehr gesund, oft sogar auch hei-« hier bricht die Seite
ab).
Die Rede ist offenbar von einer Schuld, entstanden im Jahre 1799, vermutlich im
April, und zu verzinsen für 12 Jahre und 7 Monate, also bis zum November 1812.
Schuldner ist möglicherweise der jüngere Bruder Gustaves, Carl Wilhelm Fecht. Jedenfalls
ist in zwei anderen Briefen des Jahres 1812, vom 23. Mai und vom 21. Juni, von einer
anderen nun zu tilgenden Schuld dieses Bruders die Sprache, die gleichfalls im Jahre 1799
in Karlsruhe aufgenommen war und, wie die Rechnung ergibt, ebenso mit 5% verzinst
werden sollte. Wer auch Schuldner sei, mit aller Wahrscheinlichkeit wurde das rätselhafte
Brieffragment im November 1812 geschrieben. Zum Inhalt des Briefes sollen nun
nicht abermals Spekulationen gesponnen werden. Tatsache ist, daß Hebel auch 1812,
zum allerletzten Male, im Oberland gewesen war und dort Gustave gesehen hatte; zwei-
undfünfzigjährig und wohl über die entscheidende Klärung seiner Beziehung zu Gustave
hinaus.
Ein Hinweis mag in dem Ende Dezember 1812 geschriebenen Brief an Gustave gesehen
werden: Hebel nimmt darin Bezug auf eine Äußerung Gustaves, sie sei durch ein
Wort von ihm verletzt worden. Ist solche Betrübung während des Besuches geschehen
oder in dem abgetrennten Teil des fragmentarischen Briefes?
Es ist nicht mehr aufzuklären, wie es zu dem editorischen Fehler Wilhelm Zentners
und zur gutgläubigen Mitwirkung Wilhelm Altweggs gekommen ist. Ich hatte noch Gelegenheit
, Zentner den neuen Befund mitzuteilen und erhielt am 4. Dezember 1980 zur
Antwort: »Altwegg, mit dem ich mich mehrfach über diesen Punkt unterhalten habe,
war felsenfest davon überzeugt, daß das Brieffragment in den Herbst 1796 falle, nachdem
Hebel von seinem ersten Sommerurlaub im Oberland zurückgekehrt war. Der weggefallene
Teil müsse von einer Auseinandersetzung entscheidender Art zwischen Hebel
und Gustave gehandelt haben.« Im weiteren räumte Zentner dann die nun nötige Umda-
tierung ein.
Wilhelm Zentner ist, hochbetagt, vor einem Jahr gestorben. Er durfte sich, zusammen
mit Wilhelm Almegg, das Verdienst anrechnen, in diesem Jahrhundert die wichtigsten
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