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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 147
(PDF, 39 MB)
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fohlen wurde, und in den Nachkriegsjahren habe ich die Leute einmal aufgesucht und
auch vollzählig wieder angetroffen: es war tatsächlich alles ziemlich unversehrt geblieben
! - Am Abend des 27. Novembers hätte ich eine Kurierfahrt zum Divisionsstab nach
Freiburg antreten sollen, doch ein verheirateter Unteroffizier bat mich, ob ich nicht ihn
damit beauftragen wollte, er hätte Familie mit kleinen Kindern und schon lange nicht
mehr von zu Hause gehört. Ich wollte es ihm nicht abschlagen und trug ihm auf, kurz bei
meinen Eltern anzukehren und Grüße zu bestellen und ein Päckchen, dessen Inhalt ich
mir abgespart hatte, nach dort mitzunehmen. Noch vor Mitternacht kam er unverrichte-
ter Dinge mit dem Päckchen zurück: der Luftangriff, der an diesem Abend unsere Stadt
heimgesucht hat, machte ihm die Ausführung aller militärischen Aufträge und privater
Anliegen unmöglich. Wochen später erfuhr ich, daß seine Frau und seine Kinder Opfer
dieser Katastrophe geworden waren . . .

Als fliegende Einheit wurden wir dann erst zu Spezialaufklärungstrupps nach der
Schusterinsel und nachmalig ins Elsaß, in die Hochvogesen hinüberkommandiert. Unser
Rückzug im Februar 45 über die Neuenburger halbzerstörte und unter Sperrf euer liegende
Eisenbahnbrücke gedenkt mir als erschütternde »Rückkehr ins Reich«. Pferdekadaver
links und rechts der Brücke wiesen uns den Weg. Das Chaos bahnte sich an. Eine
herrenlose Kuh wurde von unserer geschrumpften Einheit in der Gegend von Seefelden
requiriert und »notgeschlachtet« - seit drei Wochen hatten wir nichts Warmes mehr zu
essen gehabt, mit Seitengewehren hatten wir gefrorenen Wein in mundgerechte Schlotz-
stücke zerkleinert und Eiserne Portionen dazu genossen . . .

Ich sah in den Nachkriegs]jähren das Oberland dann öfter und eher, als ich es zu hoffen
gewagt hatte. In Basel konnte ich mir einen Studienplatz erstmals im Sommersemester
1946 »erobern« (mittels Prüfungen und Antiparteinachweisen). Erst sollte ich mit dem
Gros der deutschen hier zugelassenen Studierenden im ehemaligen Gasthof »Storchen«
wohnen. Dann aber hieß es, einige müßten sich Privatquartier suchen. Ich fand eines in
Stetten draußen, unmittelbar an der Grenze. Es waren nette Leute, die mich bemutterten
; ich hatte es gut getroffen. Täglich fuhren wir mit der Basler Straßenbahn nach der
Universität bzw. nach ihren Instituten. Um 22 Uhr mußten wir spätestens zurück sein.
Es war uns verboten, in Basel oder überhaupt in der Schweiz zu nächtigen. Noch gab's
keine deutsche Zollhoheit; die Franzosen nahmen diese Rechte war. Außer uns paar
Dutzend Studenten wechselten kaum Deutsche, allenfalls Schweizer und Franzosen und
andere Ausländer die Grenze. So konnte man unseren Papieren und unseren Mitbringseln
mehr als genug Aufmerksamkeit und Sorgfalt angedeihen lassen. Meinen Quartiersleuten
konnte ich dann und wann etwas an Lebensmitteln mitbringen, doch gewisse
Dinge (etwa Fleischkonserven) waren ganz verboten, anderes (etwa der vielgesuchte
Nescafe oder auch der Süßstoff, als Mittel zum Zweck, das heißt als Tauschmittel besonders
gefragt) präzis und äußerst knapp »rationiert.« Mitunter kam es dann zu heftigen
und subtilen Diskussionen mit den Grenzwächtern, von denen manche äußerst streng
waren und andere sich dem 'Laisser aller - Laisser passer' angeschlossen hatten.

Vom Markgräflerland sahen wir in jener Zeit nicht allzuviel. Wir hatten unsere persönlichen
Probleme und Nöte, zu allem hin nahm uns das Studium doch sehr in Anspruch
(und die Pendelei war auf Dauer freilich auch eine Umstandskrämerei). Da wir
Lörrach von Freiburg her nicht über den Basler Badischen Bahnhof erreichen konnten,
mußten wir, wenn es keine günstige Zugverbindung gab, entweder durch den Tunnel
oder über den Tüllinger Berg wandern. Jedesmal fanden wir es erschütternd, sobald wir
erst nachts zurückkehrten, aus dem schaufensterilluminierten friedensmäßigen Basel ins
schlechtbeleuchtete, schaufensterlose Nachkriegsdeutschland zurückzukehren. Uber's
Wochenende fuhren wir in der Regel nach Hause; nach Möglichkeit wählten wir einen
Bummelzug. Da und dort übersprangen wir dann eine Verbindung, um zwischenzeitlich
einige hübsche Markgräfler Orte, etwa Schliengen oder Laufen, etwas kennenzulernen.
Und dann und wann fand sich auch ein Gasthaus, in dem man ein gutes Viertel Wein und

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