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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 156
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0158
Es ist die Vorstellung vom Vorrang der französischen Hochsprache als Weltsprache
und vor allem als Sprache der Diplomatie. Diese Vorstellung hat ihren Ursprung im Absolutismus
, der, man kann wohl sagen in Frankreich entstanden, mindestens aber vollendet
worden ist. Franz I. war ein Herrscher dieses Typus, seit Ludwig XIII. hat sich
diese Regierungs- und Staatsform in Europa durchgesetzt, und Ludwig XIV. hat sie an
seinem Hof zu einem regelrechten Kult stilisiert4 . Das Wort vom Sonnenkönig war keineswegs
Metapher, nur unverbindliches Wonspiel, es verglich den König und sein Herrschaftssystem
mit dem Sonnensystem, in dem der König persönlich die Stellung der Sonne
einnahm, und das ganz bewußt. Spätestens seit Ludwig XIV. war die Sprache der europäischen
Höfe das Französische, und das noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. Das
französische Wort »peuple« wurde seit dem Ende des 16. Jahrhundert im Deutschen
zum Lehnwort »Pöbel«. Sein heutiger Sinn gibt genau wieder, welche Vorstellung man
damals und im ganzen 17. Jahrhundert mit dem Wort »peuple« verband. Die deutsche
Volkssprache war die »Sprache des Pöbels«. Und nachdem sich die deutsche Schriftsprache
durchgesetzt hatte, wurde dieser Ausdruck auf die Dialekte angewendet, denn diese
waren ja immer noch die Volkssprache.

Eine ganz ähnliche Einstellung hatte »man« natürlich auch in Frankreich zur Sprache
des Volkes, denn sie bestand vor allem aus bäuerlichen Dialekten und Sprachen. Besonders
schwierig wurde die Lage des aus grauen Vorzeiten stammenden Bretonisch und
Baskisch, die schon deshalb verdächtig waren, weil kein Mensch (Beamter) sie verstehen
konnte.

Der Anspruch auf Vorrang der französischen Sprache ist jedoch noch viel älter. Er
geht im Grunde auf Ludwig IX., den Heiligen, (1215- 1270) zurück. Geschichtlich
sichtbar wird er im 14. Jahrhundert, dem Jahrhundert, in dem die Flamen um ihre Unabhängigkeit
von der französischen Krone und um Selbstverwaltung gekämpft haben. Damals
waren die flämischen Städte Gent und Brügge zusammen mit Kortrijk, Ypern, St.
Omer das wirtschaftlich am weitesten entwickelte Gebiet nördlich der Alpen, das wichtigste
Handelszentrum des Nordens, eine reiche, kulturell hochbedeutsame Landschaft.
Zum deutschen Reich gehörten der südlich benachbarte Hennegau und das Herzogtum
Brabant mit Brüssel. Ein Reichslehen war die Landschaft um Cambrai, der flämische
Nordosten war das sogen. Reichsflandern. Aber das Herzstück Flanderns, eben die genannten
Städte und ihre Umgebung, war das Gebiet der Grafen von Flandern, Lehensträger
der Krone Frankreichs. Hier entstand sehr früh ein selbstbewußtes städtisches
Bürgertum und eine ihrer Macht bewußte Handwerkerschaft, aber auch - vor allem im
Marschgürtel des Küstengebiets - ein freies Bauerntum. Alle strebten sie nach Selbstverwaltung
und Unabhängigkeit, einerseits von der Krone Frankreichs, andererseits auch
von den Grafen von Flandern. Hier fanden das ganze 14. Jahrhundert hindurch mit
wechselnden Bündnissen blutige Kriege mit diesen verschiedenen Zielen statt. Von Seiten
Frankreichs war es der Krieg einer Feudalmacht, die sich eine der wichtigsten benachbarten
Landschaften mit reichen Städten und einem produktiven Bauerntum unmittelbar
dienstbar machen wollte. Denn in den Augen des Adels und der Souveräne, auch
noch des späten Mittelalters, waren die nichtadligen Schichten, zumal die Bauern dazu
da, die Mittel zu erwirtschaften, die dem Adel ein nach damaligen Anschauungen standesgemäßes
Leben ermöglichen mußten. Es war aber von Seiten des französischen Hofes
ein weiteres Motiv für diese Politik im Spiel: Der Anspruch des Pariser Hofes, daß sich
dieses aufsässige Volk von Bauern und Handwerkern seinem kulturellen und sprachlichen
Uberlegenheitsanspruch zu fügen habe."" Und weil es das nicht tat, mußte es - mit
oder gegen die Grafen von Flandern — zur völligen Unterwerfung gezwungen werden.
Es ist eine Ironie der Geschichte, daß am Ende des 14. Jahrhunderts ein Zweig des französischen
Könighauses, die Herzöge von Burgund, Flandern, Brabant und Hennegau
geerbt haben. Die Burgunder, die ihre jungen Erben z.T. in Flandern erziehen ließen,
hatten zu diesen Fragen ein freieres Verhältnis, sehr zum Voneil beider Seiten.

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