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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 7
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von denen schließlich 1902 in kurzem Abstand voneinander zwei Auswahlbände erschienen
.16' Das 1901 in Straßburg begonnene Studium - Literatur und Naturwissenschaften
- betrieb er kaum ernsthafter als vor ihm Rilke oder nach ihm Brecht. Weit
wichtiger war ihm die Gründung und Herausgabe einer Halbmonatsschrift {Der Stürmer
)1 , getragen bereits von den jungen »Stürmern« der späteren Expressionisten-Generation
, wozu neben Schickele die Freunde Ernst Stadler und Otto Flake zählten. Die
Zeitschrift und eine noch folgende zweite gehen rasch wieder ein;1Si der junge Poet verläßt
Straßburg, studiert in München (1902), Paris (1903), Berlin (1904). Dort bietet ihm
Jakob Hegner die Leitung des früheren Magazins für die Literatur des In- und Auslandes
an.19) Als Einundzwanzigjähriger heiratet Schickele die Schwester seines Freundes Hans
Brandenburg, der sich später zu den Schriftstellern Schwabings gesellen sollte.2Zi Schik-
kele übernimmt in den folgenden Jahren verschiedene Aufgaben literarischer und journalistischer
Art; er ist Lektor eines Verlags, Theaterkritiker, Ubersetzer, geht schließlich
1909 für zwei Jahre als Korrespondent nach Paris - nun bereits, nach Erscheinen seines
ersten Romans Der Fremde,21' in den literarischen Kreisen Berlins bekannt und mit allen
Frühexpressionisten sowie mit deren »Schutzpatron«, Heinrich Mann, befreundet. In
Paris entstehen, neben den Feuilletons für die Schreie auf dem Boulevard,22) neue Gedichte
. Bezauberndste Frucht dieser Zeit aber wird die Erzählung Meine Freundin Lor "
ein pariserisches Buch voll »wiedergewonnener Weltfreudigkeit«, wie es Ernst Stadler
kennzeichnet,24^ - das Porträt eines reizenden Wesens vor dem Hintergrund einer atmosphärischen
Stadt, von dem Schickele noch im Herbst 1934 zu Stefan Zweig bemerken
kann: »Das 'Paris 1910' dieses kleinen Buches scheint mir übrigens gut und vielleicht sogar
dauerhaft getroffen«. ' Nach kurzer Tätigkeit als Chefredakteur der Straßburger
Neuen Zeitung, 1911, ist Schickele ab 1913 wieder im Umkreis Berlins. Damit beginnt
für ihn die eigentlich »expressionistische« Periode. Stilistisch kommt sie am stärksten in
dem Roman Benkai, der Frauentröster zum Ausdruck, einem Werk, das mit seiner utopischen
Handlung bereits die Katastrophe des Krieges vorauszuahnen scheint, dessen
Ton der Dichter jedoch später nicht wieder aufgenommen hat.26)

Seinen bedeutendsten Beitrag zur Geschichte und Entfaltung des Expressionismus leistet
Schickele aber durch die Übernahme der Schriftleitung an den Weißen Blättern, dem
wichtigsten, qualitativ besten Organ der expressionistischen Epoche, an dem Schickele
schon seit 1913 mitgearbeitet hatte.27' Das geschah Anfang 1915, bereits nach Ausbruch
des ersten Weltkrieges, der in dem elsässischen Dichter vom ersten Tage an, inmitten der
Ausbrüche von nationalistischem Fanatismus auf beiden Seiten, seinen entschiedenen
Gegner gefunden hatte. Schickele wird, als erster seiner expressionistischen Gefährten,
bewußter Pazifist; er schreibt in der unmittelbaren Reaktion, innerhalb weniger Tage,
sein Stück vom elsässischen Hans im Schnakenloch.28) Es war das erste Kriegs- (und zugleich
Antikriegs-) Stück der Weltkriegsära, das, im Rückblick, sprachlich und dramaturgisch
gültiger geblieben ist als die meisten seiner zahlreichen Nachfolger. Seine erfolgreiche
Aufführung fordert 1917 ein Verbot durch die Oberste Heeresleitung heraus
.29) Schickele war inzwischen - Ende 1915 - mit den Weißen Blättern wegen zunehmender
Behinderung durch die Zensur in die Schweiz übergesiedelt, wo sich viele
Kriegsgegner zusammenfanden und wo der Freund Romain Rolland im gleichen Geiste
gegen den gleichen Krieg wirkte. Schickele dankt es dem Verfasser des Jean-Christophe
später, aus Anlaß von Rollands 60. Geburtstag am 21. Januar 1926, mit einer Ansprache
im Stuttgarter Landestheater/"' Sie beschwört vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte
eines dichterischen Menschenfreundes europäische Zukunftsperspektiven,
die heute noch von unveränderter Aktualität sind: «... es ist ein europäisches Werk-wie,
nebenbei gesagt, jedes Werk und jede Tat, die sowohl für Deutschland wie für Frankreich
Gültigkeit hat. Die Synthese dieser beiden Völker ist Europa - ...«31)

Im November 1918 führt die Niederlage Deutschlands das Elsaß wieder zu Frankreich
zurück. Schickele wird, staatlich, Franzose; doch zuvor schon fährt er am 8. November
nach Berlin; denn - so bekennt er später im Nachwort zu seiner Schrift Der neunte No-

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