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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 28
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0030
Diese präzisen Aussagen für Geist und Werk Johann Peter Hebels sind zum Teil auch begründet
und begreifbar, wenn wir die Zeit bedenken, in der Hebel gelebt hat.

Zwar hatte auch die napoleonische Ära genug politische und nationale Leidenschaften
hervorgebracht, aber Hebel war sich im reinen darüber, daß er durch eine leidenschaftliche
Verstrickung ins Zeitgeschehen, die ihn, den Zuschauer, in einen Mittelspieler verwandelt
hätte, seiner Wesensmitte entfremdet worden wäre.

Und diese Verpflichtung zur Wesensmitte hat das literarische Werk von Hebel zeitlos
und zeitüberdauernd gemacht.

Und nun wollen wir uns Rene Schickele zuwenden. Wir machen den Versuch, uns in
seine Zeit hineinzudenken, indem wir seine Person, seinen Geist und sein Werk betrachten
. In seinem Geburtsjahr (geb. 4. August 1883 in Oberehnheim/Elsaß) war der Siebzigerkrieg
mehr als ein Jahrzehnt vorüber, aber in seiner Heimat, im Elsaß, waren nicht alle
Menschen glücklich über den hoheitlichen Einfluß des Reiches, genauer gesagt, der
preußischen Verwaltung. Die Verwaltung im deutschgewordenen Elsaß wäre, wenn
auch im Auftrage des Reiches, besser mit rechtsrheinischen Alemannen besetzt worden.

Ganz familiär und persönlich kam für Schickele dazu, daß seine Mutter Französin
war, die nicht deutsch oder elsäßerdeutsch sprach. Sein Vater war Elsäßer, teils in Diensten
des Reiches, Besitzer eines kleinen Weingutes. Zuhause wurde, der Mutter zuliebe,
französisch gesprochen; mit den Spiel- und Schulkameraden elsäßerditsch, und in der
Schule hochdeutsch. Diese Zwitterstellung hat Schickele zeitlebens benachteiligt, sogar
bis in unsere Jahre, wo von dem zweifellos beachtenswerten Dichter in deutscher Sprache
zuwenig bekannt ist. Je nach dem, ob es sich um Betrachter vom deutschen oder
französischen Standpunkt aus handelte, war man dem »Mann zwischen den Fronten«
gegenüber mißtrauisch. Dabei wäre es für beide Völker von Nutzen gewesen, sie hätten
schon viel früher auf ihn gehört.

Schickele nannte das deutsch-französische Verhältnis, das jahrhundertelang Streit und
Not brachte, eine »brudermörderische Tragödie«. Ein anderes Wort von ihm ist, weltweit
betrachtet, ebenso erschreckend wie wahr: »Aller Friede kommt nach den Narben
.« Schickele fühlte sich beiden Nationen verbunden.

Deutlich weist die Gedenktafel am Schickele-Brunnen in Badenweiler darauf hin:
»Sein Herz trug die Liebe und die Weisheit zweier Völker«
Eines der vielen Zeugnisse und Wertungen für den Dichter Schickele sei wörtlich angefügt
, eines von Thomas Mann:

Schickele war stets aufgeschlossen für das Leben, für Güte und Schönheit.
Klarheit, Glaubenszuversicht, Kraft und Ausdauer waren ihm eigen.
Zunächst aber wollen wir Rene Schickele selbst hören, den, der »König der Sprache« genannt
wurde. In seinen Schriften wird uns ein Themenreichtum offenbar, der uns beglücken
und ermahnen kann. Hören wir drei Beispiele.

Als erstes aus dem Buch »Menschheitdämmerung«; Auszug aus dem Gedicht »Leibwache
« :

Und ich bin auch in mancher Stunde wie verdammt,
Ich weiß, daß doch ein Schein von meinem Blut,
wo ich mich rühre, wo ich raste, mich umflammt,
wie eine große Glorie innerlicher Glut.

Darin ist alles das enthalten, was die Väter,
ob sie Soldaten, Bauern, Sünder, Beter
von ihrem Innersten ins Äussere geglüht,
daß es mein eigen Blut noch heute fühlt.

Das ist doch das ergreifende Bekenntnis eines Menschen, dessen Blut aus dem französischen
und aus dem deutschen Volke kam, ein aufrichtiges Wort von einem, der sich
dem Leben stellt, mit aller Konsequenz, als Glied in der Kette seiner Ahnen.

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