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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 62
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0064
sung wurde von der Großherzoglichen Regierung nicht voll akzeptiert und der Ruf nach
einer konstituierenden Versammlung nicht aufgenommen.

Darum setzte sich Roggenburger mit dem ganzen Schwung seiner jugendlichen Uberzeugung
für eine Änderung der Verhältnisse ein. Kraft dieser Uberzeugung fiel ihm die
Führung der Geschehnisse in seiner Heimatgemeinde zu.

Doch die Entwicklung ging rasch andere Wege. Auf Seiten der Revolutionäre ergriffen
die Radikalen das Ruder und setzten auf Gewalt. Es zeigte sich, daß dem Volk die politische
Erfahrung fehlte, um Erfolg zu haben. Kein Wunder, daß die Erhebung bei allem
guten Willen scheitern mußte. - Gerufen vom Großherzog, kam der »Kartätschenprinz
« mit einem preußischen Heer ins Land. Angesichts dieser Ereignisse zog Roggenburger
nüchtern die nötigen Konsequenzen, so daß seine Gemeinde vor Schaden bewahrt
blieb.

Das Strafgericht traf das Land nach der mißlungenen Revolution mit voller Wucht.
Fast könnte man meinen, daß sich die Bestrafung der Teilnehmer an dem Aufstand nach
dem Grundsatz vollzog, daß die lebende Generation in Baden unverbesserlich sei. So
wurden die badischen Soldaten in preußische Uniformen gesteckt und nach Garnisonen
in Pommern abgeschoben. Wer der Teilnahme an der Revolution verdächtig war, wurde
vor das Großherzoglich Badische Hofgericht gestellt, da die Schwurgerichte infolge der
Ereignisse suspendiert worden waren.

Auch Roggenburger gehörte zu denen, die die Reaktion zu verspüren bekamen. Um
seiner Mutter willen, deren einziger Sohn er war, wählte er nicht, wie so viele andere,
darunter auch sein eigener Schwager, den Weg der Flucht nach Amerika. Er blieb im
Lande und war bereit, alle Konsequenzen auf sich zu nehmen. Wahrscheinlich leitete ihn
dabei auch der Gedanke, daß er nichts Unrechtes verbrochen, sondern nur versucht hatte
, Freiheit und Recht, Demokratie und Menschenwürde zum Sieg zu verhelfen. Seine
selbstverfaßte Verteidigungsschrift zeigt, wie sehr er sich in Einklang mit den großen
Humanisten und Republikanern wußte. Immer wieder zitiert er deren Gedanken.

Roggenburger wurde zu einem Jahr Arbeitshausstrafe verurteilt und mußte erleben,
daß die Untersuchungshaft nicht, wie dies heute selbstverständlich ist, auf die Strafe angerechnet
wurde.

Seine Apologie gibt in erschütternder Weise Einblick in die Atmosphäre der Korrektionshäuser
jener Zeit, die einem so human gesinnten und gerecht denkenden Menschen
wie Roggenburger schwer zu schaffen machen mußte. Dazu kam, daß er der Meinung
war, für eine gute Sache gekämpft zu haben. Darum wußte er nicht, wozu und wofür er
»gebessert« werden sollte.

Nur mit tiefer Bewegung kann man die Initiative verfolgen, mit der seine Mutter, die
»Altvogtswitwe« Roggenburger, versuchte, ihren Sohn freizubekommen. Sie selbst war
ja nicht mehr imstande, den landwirtschaftlichen Betrieb zu bewirtschaften, und mußte
erleben, wie alles drunter und drüber ging.

Als der Sohn endlich frei war, kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel der zweite Teil
der Strafe, die Forderung nach Bezahlung der durch die Revolution entstandenen Kosten
. Gewiß waren dieselben nicht klein. Die preußische Besatzungsmacht liquidierte allein
schon den Betrag von 2614829 Talern. Kein Wunder, daß die Regierung zwei Millionen
Papiergulden ausgab und eine Million an »freiwilligen« Darlehen vom Volk verlangte
.

Aber Roggenburger konnte für diese immensen Kosten nicht verantwortlich gemacht
werden! Mit bewundernswerter Energie kämpfte er um die Verringerung der Summe
und schaffte es mit eiserner Sparsamkeit, daß er nach zehn Jahren seine finanzielle Schuld
bei der Großherzoglichen Regierung bezahlt hatte. Seine Kassenbücher geben ein beredtes
Zeugnis von der Arbeit dieser Jahre.

Nach den erlebten, ja erlittenen bitteren Erfahrungen wäre es nur folgerichtig gewesen
, wenn sich Roggenburger auf den »ohne mich«-Standpunkt zurückgezogen hätte.
Doch er tat das Gegenteil.

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