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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 146
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0148
Jugendstätten

von Adolf Imhof
(geb. 1876 in Basel, gest. 1952, in Brombach von 1881 - 1889)

Von meiner Geburtsstätte an der Holbeinstraße ist mir nichts in Erinnerung geblieben
; man hat mir wohl später das Haus nahe am Hasenrain gezeigt, wo ich soll zur Welt
gekommen sein, aber das Hasenbrünnlein dort hat mich viel mehr angezogen. Ähnlich
ging es mir mit dem »Pfauen« an der Sporengasse und dem »Kranichstreit« am Rheinsprung
; in einem war mein Vater jung gewesen, im andern hatte mein Urgroßvater Forcart
gelebt, und vor beiden ging meinem Vater das Herz über, wie vom »Lohof« in der
Steinenvorstadt, den ich wohl noch betrat; er war des Vaters Gerberei. Mich ergötzten
die schönen Namen; aber an der Sporengasse waren Markt und Rathaus schon für das
kleine Büblein das Bedeutsamere, am Rheinsprung der Strom und der Blick auf das Käp-
pelijoch. Die Gegend des damals schon verschwundenen Lohofs aber trat mir erst nahe,
als ich, aus dem Wiesental zurückgekehrt, im Vaterhaus Albert Gesslers Privatstunden
bekam, um Französisch nachzulernen; da war das ganze mittelalterliche Handwerk
noch lebendig, in Dach und Fach und im Getriebe der Arbeit, so daß es für meine Vorstellung
die Stätte wurde, wo König Rudolf beim Gerber eingekehrt war.

Der zweiten Wohnung meiner Eltern dagegen erinnere ich mich wohl noch, sie lag in
einem Oberstock des Hauses am Sternengäßlein, durch dessen großen umbauten Hof
ein Durchgang nach dem Äschengraben führte - aus dem Stadtdüster zu den Bäumen
und der Sonne der Anlagen. Sie hatte nach dem Hof hin eine herrliche verglaste Laube;
da wurde ich gefüttert; da erhielt ich die Ankenschnitte, mit der ich zum Spielen in den
Hof hinabgeschickt wurde, und wenn die Mutter über der Schnitte zwei Zuckerstückchen
aneinanderrieb, wurde sie ganz herrlich. Wie die Wohnung sonst aussah, weiß ich
nicht mehr; wohl aber ist mir die Gasse vertraut geblieben, wo in dem Winkel ihrer Biegung
mein Onkel Gottfried Wackernagel mit den Seinen wohnte, ein naher Freund meines
Vaters und mein zweiter Götti, von dem wir später alte Kupferstiche nach alten Meistern
erhielten, das Erste, was ich von italienischer Kunst sah, die Wände der Kinderstube
waren nach und nach ganz damit geschmückt. Da war die Haustür wunderbar dunkelgrün
, und vor den Fenstern hingen Gitter; man stieg zur Tür ein paar Stufen empor.
In der Straße überfiel mich auch das erste Abenteuer. Die Weihnacht stand bevor, die
Mutter hatte Geheimnisse. Sie zog mir einen weißen Mantel an und setzte mir eine weiße
Pelzkappe auf; daran war ein Pelztierlein mit einem fächerförmigen Schweif aus langem
steifen Haar und mit glänzenden Glasäuglein befestigt, und ich mußte immer die eigenen
Augen schließen, wenn sich die Kappe auf meinen Kopf senkte. Aber sie war doch
prachtvoll schön. Die Hände in einem »Stoß« (Muff), ging ich in die Gasse hinunter. Die
war still und verlassen, der Himmel stand tief grau darüber, und bald fing es an nicht nur
zu dunkeln, sondern auch leise und mit immer größeren Flocken zu schneien. Alles wurde
geheimnisvoll und schreckhaft. Aber das Ärgste war plötzlich der Gedanke an die
Äuglein auf der Kappe, und so mußte ich laut aufschreien. Ich schrie so lange, bis im vertieften
Erdgeschoß nahe am Boden erst ein Vorfenster, dann ein Fenster dahinter geöffnet
wurde und mich die gute Frau Wybert, unsere alte Nachbarin, anrief und bald an der
Haustür erschien, mich hineinnahm und tröstete. Die Pelzkappe freute mich von da an
nur noch, wenn die Sonne schien.

Das mag in meinem dritten Jahr gewesen sein. Von da an dauerte mein erstes Stadtleben
nicht mehr lange, und was sich darin zugetragen haben mochte, ist mir entschwunden
. Vag sehe ich noch den Fischmarkt vor mir, hoch mit Wasser überschwemmt, in
dem hölzerne Böcke standen mit Brettern darüber, über die ich sorglich an der Hand geführt
wurde und von denen aus man in den Gassen »Bückti« (Bottiche) und gar einen
Weidling schwimmen sah. Die schöne Bronzetafel am Rathaus, die an frühere Birsig-

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