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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 148
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giment führte, von der Hausfrau trotz seiner schon beginnenden Wunderlichkeit sicher
geleitet und mit unbegrenzter Ergebenheit für sie, ein schwäbisches »Bäbele«, das der
Familie aus der Heimat gefolgt war und dann bis zu seinem Tod bei ihr verblieb. Seine
Macht färbte den Dialekt der Kinder so stark, daß man sie heute noch spürt, wenn man
eins von ihnen wieder trifft. Aber wohl war es einem doch im Garten und im Haus; die
Kinder waren zum Teil älter als ich, aber gerade darum zog es mich besonders stark zu
ihnen. Hinter dem Schlößchen ging es eine Anhöhe hinauf zur schönen alten Kirche; da
amtierte erst ein alter, etwas kauziger Herr Pfarrer (Ferd. Herrn. Haenert 1865 - 1887)
und später ein Nachfolger (Joh. Mulsow, 1887- 1898), der mir wie ein Apostel vorkam
und auf den ich mein erstes Gedicht schreiben mußte, so hingerissen war ich, wenn er in
dem hellen feierlichen Raum von der Kanzel zur Gemeinde redete. Und da hab ich nicht
nur die Glocken ziehen helfen - dabei wurde man herrlich an den Seilen hochgezogen
und wieder abgesetzt, wenn beim Ausläuten die Glocken noch fortschwangen - und in
der Kirche hab ich auch mein erstes Geld verdient: ich durfte dem Dorflehrer die Orgel
treten und bekam zwanzig Pfennig. Es dauerte viele Jahre, bis sie neckten. Wirtshäuser
gab es im Dorf genug; man kannte alle; wichtig waren mir nur zwei, das oberste bei der
Weberei, weil dort mein guter Schulfreund Karl wohnte, ein breitgelagertes Gebäude
mit bombierten Fensterscheiben, wie solche auch das Haagener Wirtshaus hatte, - die
spiegelten merkwürdig, und der Ochsen in der Dorfmitte, nahe am Platz mit der Linde,
die vor der einen der Dorfschulen stand, selber von Bäumen beschattet. Das war auch die
Metzg, und da ging etwa nach dem Nachtessen der Vater hinein und saß mit den Dorfherren
im Nebenstübchen.

Das große alte Schulhaus hinter der Linde hat auch mich aufgenommen. Ich höre
noch, wie man sagte: »Herr Lehrer, ischs erlaubt, daß i naus darf?« (So lautete die sakrosankte
Formel) und höre noch meine Klasse singen: Goldne Abendsonne, wo die »Kanone
« drin vorkam, (was hätte es sonst geheißen: »nie kann ohne Wonne Deinen Glanz
ich sehn« ?). Ich sehe mich noch, zwei 'runter kommen und ein paar Minuten später wieder
einen 'nauf, oder die bunten, blanken, viereckigen »Fleißzeddel« an mir vorüber in
die Federschachtel des Brävern wandern. Wir hatten prächtige Lehrer; der jüngere, ernste
(Alb. Ludwig, 1878 - 1891) gab mir Geigenstunde, der ältere (Wilh. Fiedler, 1876 -
1897), ein grundgütiger Mensch, wurde von allen Buben und Mädchen geliebt. Seine
zwei Kinder, damals schon erwachsen, verloren wir nie aus den Augen, und der Sohn
wurde später ein hochgeschätztes Faktotum in der Druckerei der Baseler Nachrichten
und behandelte mich bis an sein Ende als den Sohn aus der Gerberei, an der er auch gehangen
hatte. Neben der Schule war der kleine Consumladen, zu dem man hoch hinaufsteigen
mußte, voll von herrlichem Duft (Rosinen und dürre Zwetschgen, dazwischen
Schuhwichse und Seife), und es gab »Däfeli«, wann man mit der Mutter kam.

Dann aber ging's beim Ochsen den Stutz hinunter und an der ewig klappernden Mühle
, an ihren Roß- und Kuhställen und zuletzt an ihrer Ölmühle vorbei (wer weiß, wie
heißgepreßte Ölkuchen schmecken, die man gleich unter dem Stein wegbricht, wenn er
stillsteht), über den Teich, der von der Mühle nach dem Radhaus der Gerberei hinunterfloß
, an unserem dreieckigen Hausgarten mit dem Wäldchen an der oberen Spitze vorbei
, und an dessen anderer Langseite kam man einen Tannenhag entlang zur Gerberei.
Im langen Hauptgebäude lagen unten die Geschäftsräume, im ersten Stock die elterliche
Wohnung, herrlich gemütlich, obschon auch eine feierliche Visitenstube darin war (ihre
Hauptbedeutung zeigte sich für uns an der Weihnacht). Das Stockwerk war nicht ganz
ausgebaut; am Ende, gegen das Radhaus zu, lag ein großer geweißter Raum, nur für eine
Speisekammer unterschlagen. Dort stand das große Wasserbückti mit dem Hahnen unten
, das alle Tage am Dorfbrunnen gefüllt werden mußte. Das Wasser, das dem Abwaschbecken
in der Küche zufloß, durfte nicht getrunken werden. In der »großen Stube
« aber war ein Tummelplatz für uns Kinder, wenn es draußen nicht schön war; da
stand das »Schwingroß« und hing eine Schaukel; der Platz reichte auch für Fahrten auf
meinem Kinder-Dreirad und für die Puppenstuben der Schwestern. Da wurde die Glät-

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