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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 151
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gar einen kurzen Trab. Oder ich benutzte mein gußeisernes Dreirad, auf dem der Freund
hinten aufstand, und dann wechselten wir die Plätze, so daß jeder gleich viel leistete. Am
Morgen hieß es freilich fast immer gehen, auch wenn es nicht schönes Wetter war, und
im Winter war das oft recht mühsam, da niemand vor uns bahnte. Ich bekam feste hohe
Stiefel für solche Zeiten; aber naß und arg durchfroren waren wir doch oft. Meine Robustheit
danke ich doch wohl jenen Märschen. Damals konnte ich auch morgens früh
sein, und diese Fähigkeit ist mir leider nicht erhaltengeblieben; wie sie mir verlorenging,
weiß ich mir nicht zu erklären. Unsere Technik, bei Zeiten in der Schule zu sein, hat sich
bis zur Virtuosität ausgebildet, nicht nur aus virtus, denn es war schlimm, wenn man zu
spät kam. So gut wir die Straße kannten, sie war doch nicht immer gleich, und namentlich
am Bach gerieten wir manchmal doch in entzücktes Staunen, wenn die Spiräen so
herrlich blühten und Libellen übers Wasser gaukelten, oder gar ein blaugrün schimmernder
Eisvogel darüber huschte. Auch die Vogelbeeren, die gegen die Stadt zu von
den Bäumen leuchteten, waren nicht immer langweilig, sondern machten einem froh.

Vom Schulleben habe ich nicht viel für mich Rühmliches zu berichten. Ich machte darin
keine gute Figur, trotz der heißersehnten farbigen Klassenmütze. Ich kam durch Sexta
über Quinta bis an die Quarta zur Not mit, habe aber mehr gelernt, als ich meinem Eifer
nach verdient hätte, mitzubekommen. Die Lehrer waren fast lauter Originale, an ihrer
Spitze war es schon der Herr Direktor Lang; Schulmänner durch und durch, etwa wie sie
später das lustige Stücklein vom »Besuch im Karzer« Schilden (ein Herr Eckstein war
glaub' ich der Verfasser), aber nichts vom »Professor Unrat« dabei. Unauslöschlich ist
mir die Erinnerung an den Mathematiklehrer, der einem mit dem Zeigefinger aufs
Schlüsselbein losstieß und sagte: »du Ross Gottes, du Kalb Mosis«.

Bei ihm war ich aber auch besonders schlecht. Wir hatten in unseren Klassen gute Kameradschaft
(freilich getrennte, denn mein Brombacher Freund war kleiner als ich, aber
schon in einer höheren Klasse); mit mehrern wurde ich gut Freund, so mit dem trefflichen
Adlerwirtssohn aus Weil und mit dem Kaufmannssohn, dessen Familienkreis später
für mich so große Bedeutung erlangte, daß ihm ein besonderes Kapitel gewidmet
werden muß. Erst durch diesen Kreis bin ich in der kleinen Stadt eigentlich heimisch geworden
, und das war erst viele Jahre nach meinem Abschied aus dem Wiesental.

Die Schule zu würdigen, bin ich nicht berufen und plaudere nur von dem, was uns
Junge bewegte. Sie hatte eine Disziplinargewalt, die den oberen Klassen viel zu tuscheln
gab: wie stellte man es an, in einem Wirtshaus ungesehen ein Glas Bier zu trinken, wenn
man noch nicht in der Oberprima war (vielleicht war es schon in der Unterprima kein
Verbrechen mehr, das weiß ich nicht ganz genau)? Oder war eine Eleganz des Auftretens
, wie sie sich der vornehme Beulersohn (nicht etwa ich!) leistete, tragbar? Was drohte
, wenn sich die Leiter der prächtigen Schiittelpartien aus Basel über den Schneeballenangriff
beschwerten, mit dem sie die Gymnasiasten vom Podest der Kirche aus angriffen
? Es war nicht zu leugnen, einige Bälle waren nicht ganz von Kieseln frei gewesen, die
Vorreiter, herrliche Husaren, in den Schlitten wunderschöne Damen mit köstlichen Pelzen
, die stolzesten von vier Pferden gezogen, mit Reitern darauf über schönen farbigen
Schabracken und alles Geschirr wie von Gold und Silber, auch bei den Zweispännern mit
den dicken Kutschern oder mit den Bedienten auf dem hinteren Sitz. Und zuletzt die
»Würste« mit großen Gesellschaften besetzt und gar sechsspännig daherrasend! Wie die
Strafe ausfiel, ist mir entfallen, aber auch die Motive der Frevler mögen auf sich beruhn
bleiben; ein wenig Mißgunst, ein wenig Abneigung gegen die Schweizer? Von solcher
merkte man freilich sonst nichts im Wiesental, außer etwa bei den Zollbeamten, die von
»unten im Land« kamen und von Berufs wegen mißtrauisch sein mußten.

Den höchsten Augenblick meines Schullebens in Lörrach habe ich mir selber verdorben
. Es sollte im Hirschensaal die jährliche Schulfeier abgehalten werden; ich war dazu
bestimmt, aufs Podium zu steigen und das berühmte Distichon zu sagen: »Wanderer,
kommst Du nach Sparta« - Das stand nicht im »Wendt«, unserer vortrefflichen Schulanthologie
, die mir heute noch so lieb ist wie in jenen Tagen; es wurde mir auf einen Zettel

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