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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 152
(PDF, 35 MB)
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schön geschrieben zum Memorieren übergeben, den mußte ich wieder abliefern. Die
Hauptprobe im Festsaal war für mich gut verlaufen: ich traf den rechten Ton nicht beim
ersten, aber doch beim zweiten Mal und freute mich unbändig. Die ganze Schule hatte
schon bei der Hauptprobe anwesend sein müssen, es wurde jede Einzelheit des Einzugs
und der Aufführungen durchgeprobt, so daß es mir auch nicht an Hörern fehlte. Der
Nachmittag vor der Feier war frei. Ich tummelte mich mit den Dorfbuben bei unserem
Haus, wo als vorübergehende Erscheinung ein Stoß frisch behauener Balken aufgeschichtet
war. Dabei strauchelte ich einmal und fiel mit dem linken Ohr auf eine scharfe
Kante. Das Ohr wurde am Rand geschlitzt, es mußte mit einem Carbolverband geschützt
werden, der entsetzlich roch, und die Mutter schickte mich ins Bett. Die Schule
wurde benachrichtigt, ich könne nicht erscheinen. Da durfte denn der vorsorglich bestimmte
Stellvertreter auf das Podium steigen, dessen Leistung ich bei der Probe gar
nicht hatte schätzen können. Dr. Strübe sah einmal nach mir, weil aber das Ohr da schon
wieder zusammen war und keine Eiterung drohte, wurde wenigstens nichts mehr genäht
.

Damit genug von der Schule; aber von den Brombacher Sonntagen und den Ferientagen
der Brombacher Zeit muß ich noch erzählen. Schönere Sonntage als die unseren gab
es kaum. Wenn es das Wetter irgend erlaubte, zog die ganze Familie, und zwar fast immer
mit der Schlößli-Familie aus, manchmal schon früh am Morgen, aber sicher am
Nachmittag. Da wurde tüchtig marschiert (»Kinder voraus«), durch all die herrlichen
Wälder, die der Schlößli-Vater als Jäger in allen Winkeln kannte und wo er uns auf jede
Wildspur hinwies, wo wir oft Rehe zu Gesicht bekamen oder Hasen und Geflügel. Man
kam hoch über dem Dorf an der majestätischen Kreuzeiche vorbei oder auf dem Höhenweg
von Röteln nach Steinen an sorglich umhegten Baumschulen, man beging das offene
Hochland bei Eichsei und Adelhausen oder zog vom Röteler Schloß über die »Lugge«
nach Otlingen hinüber, war in Steinen zu Haus, wo die schönen Basler Villen sich erhoben
, die den Namen noch verdienten. Besonders gern mochten wir das recht entlegene
Egerten im Tälchen oberhalb Binzen, wo das Wirtshaus mitten in den Reben lag und eine
Terrasse über dem Talboden hatte, ganz von Reblaub umkränzt, das die Aussicht einrahmte
. Da gab es rötlichen »Schiller«, der besonders gut mundete. Daß man einkehrte,
war ungeschriebenes Gesetz; auch die Kinder erhielten, wie zu Hause, ihr Mäßlein je
nach dem Alter, und bei den Größeren wurde ein Auge zugedrückt, wenn sie es zu überschreiten
suchten. Hatte man im Wald zu Mittag Vorräte verzehrt, so war gegen Abend
ein Stück Brot und ein Mümpfelein Käse doch wieder nötig, der Heimweg war manchmal
recht lang. So erwarben wir alle eine ausgebreitete Kenntnis der schönsten verborgenen
Landwirtshäuser, wo man es am besten bekam. Die berühmteren in der Rheinebene
wurden eher gemieden. Das schönste aber war immer der Heimweg; da ging es, um die
Müdigkeit zu überwinden, fast regelmäßig in Schritt und Tritt, es wurden Kanonierlieder
des Vaters gesungen und viele Schweizerlieder, auch die schönen, die man in der
Schule gelernt hatte, und wenn der Gesang erlahmte, fingen die Väter an zu erzählen, der
eine von Jagderlebnissen, wie ein Auerhahn am Feldberg gebalzt habe oder wie ein täppischer
Mensch gerade noch gehindert wurde, auf eine Rehgeiß zu schießen, der andere etwa
, auf der Straße von Kandern nach Steinen, von der Flucht der geschlagenen Aufständischen
, die anno 4 über diese Straße gezogen seien, oder von den Geheimnissen des
Gerbverfahrens; er war kein Jäger, die Tiere dauerten ihn zu sehr, seit er beim ersten
Versuch eines hatte schreien hören, bis der Gnadenstoß kam. Da fühlten wir uns als
Große, weil uns solche Dinge anvertraut wurden. Vom Wiesental bei Steinen war es
dann freilich noch recht weit bis heim. Da ging man über Hauingen; dort im Pfarrhaus
habe ich meine ersten Französisch-Stunden bekommen, aber die haben zu Kämpfen geführt
. Der alte Herr Pfarrer wollte mich zwingen, »le pere« zu sagen oder »pourquoi«,
mit einem »h« hinter dem »p«, und maisong u.s.w., und ich hörte diese Worte bei den
Eltern ganz anders: die sollten eben als Schweizer nicht zuständig sein, das erbitterte
mich, und der Unterricht hörte bald wieder auf.

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