Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 153
(PDF, 35 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0155
Die Sonntagsfahrten im Gebiete der Voralpen fanden ihre Krönung in einem dreitägigen
Reislein nach dem Feldberg, das ich mit den Ältesten der Freundfamilie unter der
Leitung der Väter unternehmen durfte. Da ging es noch über Hausen und die Abzweigung
nach der Hasler Höhle mit dem Zuge hinaus; bis dahin kannten wir alles im großen
und kleinen Wiesental, und von Zell aus - ich sehe uns noch den Bahnwagen verlassen -
begann die Wanderung; wo wir zuerst nächtigten, weiß ich nicht mehr, und auch von
den Wegen sind mir nur die vielen Nebel geblieben, die sie oft dicht einhüllten. Selbst der
Feldberg machte mir keinen tiefen Eindruck, da war es gar flach und öde, nur die seltsamen
Bergblumen fand ich wunderschön. Vom Schneegebirge in der Heimat sahen wir
nichts. Das leuchtete erst zu uns herüber, als wir auf dem Belchen anlangten, und da war
es dann ganz unbeschreiblich prachtvoll. Recht mühsam war die Wanderung auf den
Blauen hinüber; da verbrachten wir die letzte Nacht und sahen am Morgen einen blutigroten
Sonnenaufgang, der mich tief ergriff. Der Himmel war stark bewölkt, mit langen
Streifen und hohen Türmen bestanden, zwischen denen sich das Gestirn seinen Weg suchen
mußte, die es dann aber allmählich besiegte und vertrieb. Der Blick auf die Rheinebene
war frei und bot alles, was mir auf dem Feldberg gefehlt hatte. Wir waren aber alle
ein wenig erschöpft; mein Vater erlitt einen Schwindelanfall, der dazu nötigte, behutsam
nach Kandern hinunterzusteigen; als die Sonne zu brennen anfing, wurde die Müdigkeit
wieder arg. Im Kanderer Wirtshaus kam noch einmal nach dem Mittagessen ein Anfall,
und so beschlossen die Väter, zur Rückkehr ein Chaislein zu bestellen. Das war nun freilich
für uns Junge ein herrlicher Abschluß; so etwas hätten wir uns nie träumen lassen!
Der Vater hatte sich zudem ein paar Stunden ausgeruht, und es war ihm auf der Fahrt
wieder wohl. So genossen wir es in vollen Zügen, im Abendschein über die »Lugge« zu
kutschieren, wenn man auch beim Aufstieg ein wenig neben dem Wägelein gehen mußte,
um die Pferde zu schonen. -

In den Ferien »aufs Land« zu reisen, hatten wir nicht nötig. Schöne Reisen blühten uns
aber doch. Sie eröffneten mir noch zwei Stätten, die zu meinem Jugendland gehören. Die
eine war Eriswyl hinter Huttwyl im Emmental, wo nicht der Feldberg, sondern der
»Napf« Trumpf war; den habe ich nie erreicht. In Eriswyl war der Schwager meines mütterlichen
Großvaters, ein Baselbieter von altem Schrot und Korn, mit seiner großen Familie
niedergelassen und hatte eine Strumpfwarenmanufaktur begründet, die den armen
Leuten der ganzen Gegend Heimarbeit gab. An der Leitung dieses Unternehmens nahmen
seine Frau und alle Töchter und Söhne teil, sobald sie in Basel die Schulen durchlaufen
hatten, die Töchter jedenfalls bis zur Heirat, die nicht alle eingingen (und eine heiratete
erst noch den ersten Mitarbeiter des Großonkels). Alle verbrachten den Tag in der
Fergstube, wo die Wolle ausgegeben und die fertige Arbeit nach der strengsten Prüfung
abgenommen wurde. Die Seele des Geschäfts war »Tante Lene«; der Onkel, den man
nicht mit dem Taufnamen ansprach, war die Säule. Soweit nicht die Macht der großen
Dorfbauern reichte, und die verlangten freilich hohen Respekt, regierte Tante Lene auch
das Dorf, vom Haus zu schweigen, in dessen unendlichen Stuben ich mein Leben lang
nur zwei Mägde gekannt habe, ein Schwesternpaar von unbedingter Ergebung und bis
ins hohe Alter ohne Launen. Meiner Mutter ist das Glück, solche Helfer zu finden, nie
zuteil geworden, so manche vertraute Gesichter aus meiner Brombacher und Basler Jugend
vor mir auftauchen. Ich war in den ersten Lebensjahren viel in Eriswyl, namentlich
wenn es galt, Kinderkrankheiten auszuheilen oder die Mutter bei Krankheiten der Geschwister
zu entlasten.

Die Eriswyler Kinder hatten dafür während ihrer Schulzeit bei meinem Großvater gewohnt
; da waren Gegendienste selbstverständlich. Ich nahm einmal sogar wochenlang
im »Zenshaus«, wo die Tante eine Privatschule eingerichtet hatte, am Unterricht teil und
lernte »do re mi fa sol« singen. Das Geschäft blühte; ich war wohl etwas erstaunt, wie
streng darin das Regiment war, bei aller Vertraulichkeit, mit der die Arbeiter, lauter
Frauen und Mädchen, behandelt wurden und selber bezeigten; daß die Betriebsform auf
die Dauer vielleicht nicht haltbar sei, war noch kaum jemandem bewußt. So war ein Auf-

153


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1984-01/0155