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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 155
(PDF, 35 MB)
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dem. Die lebhafte, witzige, überlegene und warmherzige Frau mit der prachtvollen
schwarzen Haarkrone, die ihren persönlichen Adel bezeugte, war wie eine Fee, die alles
vermochte und einem alles gönnte. Sie machte mich mit den Herrlichkeiten Solothurns
bekannt, auch mit der damals noch wenig bekannten, der Zetterschen Madonna von
Holbein und der Erdbeerenmaria. Sie nahm mich zu ihren Staatsvisiten mit, bis aufs
Schloß Ripp, bis zur Majestät auf der Höhe bei der Einsiedelei und zur anderen auf dem
Bleicherberg, die ein geschiedenes Reich hatte und wo ich dem gnädigen Herrn, dem Bischof
Fiala, im zierlichen Rokoko-Garten meine Reverenz machen mußte. Weniger feierlich
war der Besuch bei der in Solothurn lebenden verwitweten Schwester des Großvaters
; die empfing einem gleich herzlich und baseldeutsch wie die Eriswyler Großtante,
war aber eine ganz andere Natur. Ihre Tochter war die Schwägerin der Tante geworden,
und so kam ich auch ins »Sommerhaus« mit dem geheimnisvoll ummauerten Garten, wo
die Bäume so merkwürdige Formen hatten, und mit dem schön gemalten Gartensaal.
Die Familien unterhielten einen lebhaften Verkehr, und manchmal fuhren die beiden
Kutschen am Sonntag übers Land, oder die Stadtleute kamen zum Schlößlein hinaus,
und es gab politische Diskurse mit den Herren Obersten, wo ich hörte, wie es im Nationalrat
zugehe und wie man sich vor den »Schwarzen« hüten müsse. Die Kinder waren
auch meine entfernten Vettern, das haben wir lebenslang gespürt. Aber noch näher standen
mir, schon räumlich, die Kinder aus dem Attisholz, wo es im Hause hanseatisch zuging
und in der Fabrik hochtechnisch. Von der Bedeutung der Entwicklung, die sich da
anbahnte, hatte ich freilich keine Ahnung; mir waren die Buben lieb (die Töchter waren
zum Teil schon große Fräulein), und es gab lange Spielnachmittage; an einem mußte man
uns eilig retten, weil wir einen Weidling losgekettet hatten und anfingen, die Aare hinabzutreiben
: da hat mich die Tante beinahe heimgeschickt. Als ich später Spitteier zu verehren
anfing, hatten mich die »goldenen Dächer«, die Solothurn für ihn hatten und die so
zu seinem Jugendland wie zu meinem gehörten, endgültig gewonnen.

Gestalten aus dem Jugendland
Anmerkungen zu den Personen

Die vielen Gestalten zu schildern, die mir im Wiesental begegnet sind und die ich dort
zurückließ, während sie doch in mir weiterleben, ist unmöglich. Ich muß auswählen und
selbtst die Schlößlihausfrau übergehen, die mir immer wie eine zweite Mutter begegnet
ist, die treuherzigste und währschafteste Markgräflerin, die es geben konnte, obschon sie
als Lörracherin die Chappe nie trug; auch ihren Eheherrn nicht, der uns so nahe stand
und der so jäh aufflammen konnte: seine Frau hat er nie aus der Fassung gebracht. Der
Tod dieser guten Menschen ist uns allen später ein arges Leid gewesen.

Aber zu der großen Familie, zu der sie gehörten, muß ich ein paar Worte sagen. Die
Kinder der Weberei-Gründer blieben fast alle unverheiratet. Der Chef des Hauses - ob
es der älteste war, weiß ich nicht mehr - gründete freilich ein eigenes Haus und kam
schließlich ins Schlößlein, das dann eigentlich stattlich wurde; ihn sah man am wenigsten
, er ging in der Fabrik auf. Auch die ledigen Fräulein erblickte man selten; aber sie
waren unendlich vornehm in ihren seidenen Kleidern, wenn sie im schönen Ziergarten
um das Fabrikwohnhaus herumgingnen oder im Viktoriawagen durchs Dorf fuhren;
beide klein und gedrungen, aber unterschiedlich im Gehaben, wenn auch beide immer
freundlich und gütig dreinschauten. Alles, was im Dorf ging und etwa nötig war, wußten
sie, so hieß es zu Hause immer, und waren im stillen tätig. Die ledigen Brüder gaben sich
nicht nur der Fabrik hin. Der ältere war ein passionierter Landwirt, der namentlich
Viehzucht betrieb und dessen Hof und Stallungen immer prächtiger wurden. Er schlug
die Mühle bald aus dem Feld. Er gab sich auch als ein Bauer, freilich ein großer, aber ohne
jeden Aufwand; dazu kam die Jagd. Im Salon fühlte er sich kaum behaglich. Er und
der Chef waren mit dem Vater gut befreundet. Der jüngste war ganz anders. Ihm waren

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