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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 157
(PDF, 35 MB)
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die auf wenigen Augen steht, und die schauen statt nach Jura und Schwarzwald nach den
Pyrenäen aus. Item, was Onkel Jakob von den Voreltern des Großpapas und von den ihren
und seinen geschäftlichen Dingen berichtet, ist wertvoll und interessant und ausführlich
genug, mitsamt der feinen Würdigung der öffentlichen Wirksamkeit. Ich habe das
Gefühl, ich sei ihm in vielem ähnlicher als dem Vater, der mir doch höher stand und dem
ich vergebens nachstrebte. Der tiefe Respekt, der dem Großpapa freilich überall erwiesen
wurde, wo er erschien, hat mir einen starken Eindruck gemacht. Wir Brombacher
Waisen waren wohl seinem Herzen nicht am nächsten; er hatte mit unseren Eltern zu viel
Sorge teilen müssen. Aber als er mich zu meiner Konfirmation selber ins Münster begleitete
und auf dem Weg sagte, ich sei ja der künftige Stammhalter, war ich doch hochbeglückt
. Und jene Stunde erstand immer wieder vor meinen Augen, wenn mich jemand
viel später - wie es etwa der »junge Andreas Heusler« tat - einmal als Herr »Ratsherr«
begrüßte, was so viel schöner klang als Herr »Regierungsrat«. Von dem Großpapa in seinem
Hause erzähle ich später. Für des Vaters Schicksal wurde bestimmend, daß er, nach
einer in früher Kindheit mühsam überstandenen schweren Erkrankung, deren Folgen
sein ganzes Leben hindurch spürbar blieben, und nach einer langen kaufmännischen
Lehrzeit zunächst in den kaufmännischen Zweig des väterlichen Geschäfts eingetreten,
wo schon der älteste Bruder tätig war, immer deutlicher spürte, daß der andere Zweig,
die Gerberei im Lohof, der fachmännischen Leitung entbehrte und nicht mehr recht blühen
wollte. Er entschloß sich, in die Lücke zu treten. Um seinen Entschluß ausführen zu
können, fand der Vater eine gründliche Handwerkslehre nötig, und er trat eine solche in
der Baderschen Gerberei in Gelterkinden an, obschon er übers Lehrlingsalter längst hinaus
war; er war 1844 geboren worden. Die Lehre machte er ganz durch und ging dann
noch für einige Jahre auf die Wanderschaft. Er arbeitete in verschiedenen französischen
und deutschen Gerbereien je ein paar Monate lang, und zwar als Meistersohn, zuweilen
unter sehr bedrückenden Bedingungen. Gleich in der ersten Stelle stattete der Meister
ihn und einen jungen Deutschen, der in derselben Lage war, mit ganz schlechtem Werkgeschirr
aus, um die Gesellen zu entmutigen, weil er ein Eindringen in sein Verfahren
fürchtete; das nötigte die beiden, vor Tag mit der Arbeit zu beginnen, damit sie am
Abend die gleiche oder eine größere Leistung vorweisen könnten wie die guten Arbeiter
des Betriebs. Sie führten das durch und errangen zuletzt doch die widerwillige Anerkennung
des Mannes. Der Freund gehörte der angesehenen Gerberfamilie Freudenberg in
Weinheim an der Bergstraße an und blieb dem Vater treu; es beglückte mich, Jahrzehnte
später, an einem Ferienort andere Glieder jener Familie kennen und schätzen zu lernen.
Die Wanderzeit brachte dem Vater vielfache Kenntnisse und Erfahrungen ein, und nach
der Heimkehr fing er mit gutem Vertrauen an, die Leitung des Betriebs im Lohof in die
Hand zu nehmen. Nach außen schien er dabei auch bald manchen Erfolg zu erringen. Er
gewann in der Gerberzunft eine angesehene Stellung; er gehörte zu den Zunftgenossen,
die die gemeinsame Lederstampfe am Kleinbasler Teich zu beaufsichtigen und zu verwalten
hatten. Nach wenigen Jahren gelangte er auch in den Großen Rat und nahm an gemeinnützigen
Unternehmen lebhaften Anteil. Er war dem Bunde der Freimaurer beigetreten
, aus reinstem Streben, und hing an diesem Bunde bis zu seinem Ende, obwohl er
sich an dessen Arbeiten nicht mehr betätigen konnte. Aber seine geschäftliche Lage war
schwer und wurde immer schwerer. Gleich zu Anfang mußte er gegen Schlendrian und
Untreue auftreten, was zu schweren Kämpfen führte, da sich sein Vater und sein ältester
Bruder, die einen ihrer Nächsten nicht gern als Handwerker wirken sahen und sich mit
der Gerberei nicht mehr recht zu befreunden vermochten, nur schwer für seine Pläne gewinnen
ließen - und nie ganz rückhaltlos. Der Betrieb war auch räumlich viel zu stark
getrennt, und obwohl eine Erweiterungsmöghchkeit vorhanden war, stießen die Pläne
des Meisters auf einen vernichtenden Widerstand, den zu überwinden ihm unmöglich
war: die Behörden weigerten sich, eine Erweiterung zuzulassen, die sie doch dem großen
Kleinbasier Konkurrenzgeschäft, das auch in der inneren Stadt lag, vor ganz kurzer Zeit
erlaubt hatten - und sein Vater war selber früher im Sanitätswesen leitend gewesen und

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