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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 158
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vermochte es schon darum nicht über sich, für sein Privatinteresse einzustehen. So sah
der Vater nur wenig Hoffnung für seine Zukunft, trotzdem die Produkte seines Betriebes
von Jahr zu Jahr besser wurden. Aber allmählich mußte er noch eine schwere Bedrohung
seiner Existenz aufsteigen sehen:

Er erkannte, daß die Zollschranken des Auslandes derjenigen Entwicklung, der er sein
Gewerbe für fähig hielt, in der Schweiz ein dauerndes Hindernis entgegensetzen mußten
. Die Gerberei war damals, wie andere Handwerke, in der Entwicklung begriffen, die
sich als Ubergang zur Industrie kennzeichnen läßt. Der Vater war dazu ausgerüstet, diese
Entwicklung mitzumachen, und hoffte dabei namentlich auf die Fortschritte der technischen
Chemie, die er aus innerster Neigung sorgfältig verfolgte. Sein Ziel war nicht in
erster Linie die Steigerung der Produktionsmenge, denn er wollte die Solidität seiner Erzeugnisse
, die auf der handwerklichen Stufe erreicht worden war, bei seinem Zweige der
Gerberei, der Sohllederproduktion, nicht preisgeben, sondern nach Möglichkeit steigern
. Dazu sollte ihm die Wissenschaft helfen, die ihn schon in der Schulzeit mächtig angezogen
hatte. Aber für die erhofften Erzeugnisse wäre die Schweiz als Absatzgebiet
nicht in Betracht gefallen.

Unter dem Zwang aller dieser Verhältnisse mußte es zu einer Verlegung des behinderten
Betriebs ins benachbarte Deutschland kommen. Zuerst wurde auf Grund von behördlichen
Zusicherungen eine äußerst günstige Anlage in Lörrach erworben. Der Kauf
mußte rückgängig gemacht werden, weil sich die Behörden anders besonnen hatten. Nur
mit großen Bedenken wurde dann die weit weniger günstige Liegenschaft in Brombach
gewählt. Den Ausschlag hatte dabei die Meinung eines Associes gegeben, der dem Vater
aufgenötigt worden war und der alle Bedenken hatte bei der Familie zerstreuen können,
während der Vater ihm die Achtung versagen mußte.

Frohen Herzens hatte freilich niemand von den Beteiligten die Entscheidung getroffen
; und Mut und Vertrauen sanken immer mehr, als, wie es der Vater vorausgesagt hatte
, die Gerbereierzeugnisse in den ersten Jahren unbefriedigend ausfielen. Die Unterbrechung
der im Lohof begonnenen Gerbprozesse, die durch die Verlegung des Betriebes
nötig geworden war, mußte die Qualität der Ware beeinträchtigen; das war schließlich
einzusehen. Aber die Ubergangsperiode dauerte länger als erwartet worden war, weil
sich nun auch die bei der Neueinrichtung gemachten Fehler rächten, die gegen den Rat
des Vaters begangen worden waren, und weil er außerdem durch die bittersten Erfahrungen
- Untreue und Unzuverlässigkeit von Mitarbeitern - gelähmt wurde.

Da gedachte er wohl oft des glänzenden Angebotes, das ihm sein Jugendfreund Dollfuß
von Mailand aus gemacht hatte: eine von diesem erworbene oberitalienische Gerberei
zu übernehmen und selbständig zu leiten. Der Freund hatte seine Lage genau gekannt
; er war schon beim Entschluß, Gerber zu werden, ins Vertrauen gezogen worden
und sah alle Schwierigkeiten kommen. Der Vater hatte das Angebot abgelehnt, weil damit
das Versprechen unerfüllt geblieben wäre, das er sich selber gegeben hätte. Und er
hat es nie zu erfüllen vermocht, sondern war den Seinen nur eine dauernde Last geworden
! Schließlich kam es zur Auflösung der Assoziation und zur Gründung einer Aktiengesellschaft
. Ich erinnere mich daran, daß hie und da Herr Rudolf Philippi als Vertrauensmann
der Aktionäre in Brombach erschien, der später als Regierungsrat mein Chef
wurde und als Kaufmann beim Großvater großes Ansehen genoß. Erst im Jahr vor seinem
Tode wurde dem Vater endlich freie Hand gegeben; es war ihm gelungen, das Vertrauen
, das von 1881 an stets gewankt hatte, wiederherzustellen. Aber um welchen Preis
und um welche Aufregungen!

Was waren das für Tage, wenn zweimal im Jahr (glaube ich) die Gruben ihres kostbaren
Inhalts entleert wurden, der monatelang dort unzugänglich begraben gelegen hatte,
nur vermittelst der hineingeleiteten Brühe kontrollierbar! Da entschied sich, wie das Leder
ausgefallen sei, durch Probeschnitte, die der Vater selber vornahm, und Jubel und
Niedergeschlagenheit wechselten. Dann fuhr der Vater nach Frankfun an die große Ledermesse
, wo sich das kaufmännische Glück entschied; einmal mit stolzen Hoffnungen,

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