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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 1.1984
Seite: 160
(PDF, 35 MB)
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gesetzt und war während der hundert Tage von der Tragik dieses Schicksals ganz erfüllt
gewesen: oft hatte er es dem seinen verglichen und gesagt: Frau, du wirst sehen, ich komme
auch um, bevor ich am Ziel bin. Das erfüllte sich nun. An Pflege fehlte es nicht: Prof.
Massini und Prof. Fritz Miescher, sein Stiefschwager, beides Jugendfreunde, eilten an
sein Krankenbett, ein junger Mediziner aus der Brombacher Dynastie, der später ein
großer Kinderarzt wurde, wachte daran Nächte hindurch. Bauchfellentzündungen
durch Operation zu verhüten, war damals der ärztlichen Kunst noch nicht gelungen. Die
Mutter wich kaum vom Krankenbett. Wir Kinder harrten draußen; das Wetter war herrlich
; ein Mitarbeiter, beiden Eltern herzlich ergeben, beschäftigte uns, wir durften mit
seinem Flobert auf die Scheibe schießen. Aber immer wieder überfiel uns ein Jammer.
Am zweiten Sonntag mußte ich vom Vater Abschied nehmen. Er hauchte ergreifende
Worte. Der Großvater und Fritz Miescher kamen an. Sie nahmen mich, als alles vorbei
war und nachdem ich den Toten noch hatte sehen dürfen, im Wagen nach Basel mit, um
die Mutter zu entlasten. Diese Fahrt vergesse ich nie. Einen Tag blieb ich beim Großvater
; den Tag vor der Beerdigung wurde ich wieder heimgeleitet und schritt, an der Spitze
eines unendlich langen Leichenzuges neben dem Pfarrer zum Grab auf dem Brombacher
Gottesacker. Das halbe Wiesental und viele, viele Basler Freunde ließen es sich nicht
nehmen, meinen Vater zum Grab zu geleiten. Wie der Mutter zu Mute war, darüber
schweige ich. So ging mir das Jugendland jäh verloren. Meine Großmutter war nach jahrelangem
Leiden das Jahr zuvor gestorben. Der Großvater war mit seiner greisen
Schwiegermutter allein in dem verwaisten Haus. Er nahm die Mutter und uns fünf Kinder
im Oktober schon darein auf.

Des Vaters Werk mußte nun fremden Händen überlassen werden. Es verfiel natürlich
der Routine; alle Versuche meiner Mutter, von den gewonnenen Erkenntnissen etwas zu
retten, waren vergebens. Sie beherrschte die Einzelheiten nicht so, daß sie hätte überzeugend
auftreten können, hatte in der Leitung kein Gewicht, und diese vermochte ihren
Beschwörungen kein Vertrauen zu schenken. Ich habe mich oft gefragt, ob die Aufgabe
überhaupt lösbar gewesen sei: ob das Ziel nicht dem Zug der Zeit widersprochen habe.
Die Gerberei bestand noch beinahe zwei Jahrzehnte lang. Dann konnte die große Liegenschaft
endlich veräußert und das Geschäft liquidiert werden. Zu einer Blüte kam es
nie.

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