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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
46.1984, Heft 2.1984
Seite: 151
(PDF, 33 MB)
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zuführen ... Ging es nicht zu Hause, so nahm er mich mit auf die Praxis, um mit mir zu
deklinieren, und zu konjugieren. Arno, amas, amat! Wie ich dies amo haßte!... Viel besser
gefiel es mir, wenn mein Vater, statt Latein zu lehren, mir erzählte von Hannibal und
Cäsar, von Kolumbus und Englands großer Seemacht, Napoleons Thaten und Untergang
... Mein Vater wagte es sogar, mich der Leichenöffnung eines kleinen Kindes anwohnen
zu lassen, und zeigte mir die wichtigsten Leibesorgane. Ich verschaffte mir hierauf
einen toten Maulwurf und zergliederte ihn zum Abscheu der Dienstmädchen ...«.

Zwei Jahre verbringt Kußmaul dann »Im Pfarrhaus zu Buch am Ahorn ... [ich sah
dort] kaum andre Fremde, als Wallfahrer, die 'vom heiligen Blut' in Walldürn kamen,
und Zigeuner, die ebenso plötzlich erschienen, als verschwanden ... Ich ging mit den andern
Kindern hinaus in den Wald. Sie lagerten ums Feuer und brieten gerade ihr Lieblingsgericht
am Spieße - fette Igel.« - Das kinderlose Pfarrersehepaar Ganz nimmt sich
seiner liebevoll an. »Der Unterricht meines Mentors erstreckte sich auf Latein und Französisch
, im zweiten Jahr auch auf Griechisch, er lehrte mich Rechnen und Geometrie,
Naturlehre, Geschichte und Erdkunde, diese gefiel mir am besten. In den freien Stunden
wurde regelmäßig spazieren gegangen, ich spielte in Hof und Garten, las und zeichnete,
mit besonderer Vorliebe kolorierte und zeichnete ich auch Landkarten nach Anweisung
meines Lehrers ... In der letzten Zeit meines Aufenthalts ergriff mich eine gefährliche
Lesewut ... Unsere Spaziergänge richtete der Pfarrer ebenso unterhaltend wie nützlich
ein. Er lehrte mich alle Sträucher und Bäume des Waldes kennen; wir gruben Pflanzen
aus und versetzten sie in den Garten am Pfarrhaus, schrieben ihre botanischen Namen
auf kleine Schilde ...«.

Mit den anschaulich geschriebenen beiden Kapiteln »Der Zehnte« (der damals noch
für den Pfarrherrn eingetrieben wurde) und »Zeitbegebenheiten« (Boxberger
Marionettentheater, 1830er Revolutionsgeschehen) beschließt Kußmaul das »Erste
Buch«. - Es folgt »Auf den Gymnasien«: »Im Frühjahr 1833 kam ich auf das Gymnasium
nach Wertheim, das meinen Eltern am bequemsten lag ... Auch [hier] wurde ich bei
einem Geistlichen untergebracht, aber nicht, wie in Buch am Ahorn, als einziges Kind
des Hauses, die Familie war mit Kindern reich gesegnet; ich mußte mich mit den Brosamen
von Liebe begnügen, die für den kleinen Fremdling übrig blieben ...«. Doch schon
im darauffolgenden Jahr bezog Kußmaul das Mannheimer Lyzeum; die Familie hatte inzwischen
sieben Kinder, um eine entsprechende Erziehung ging es in erster Linie. »Um
sie zu ermöglichen, entschloß sich [der Vater] zu einem Opfer, dessen Größe nur richtig
ermißt, wer den mühseligen Beruf eines Landarztes kennt: er verzichtete auf die Bequemlichkeiten
der eigenen Familie und schickte unsere Mutter mit den Kindern nach
Mannheim, wo wir gute Schulen besuchen konnten; er wohnte allein in Wiesloch und
behalf sich mit mangelhafter Bedienung ... Die Ferien verbrachten wir bei ihm in Wiesloch
...«. Das damalige Mannheim wird von Kußmaul lebhaft geschildert: »Das Jahr
1834, in welchem wir nach Mannheim kamen, legte den Grund zu der mächtigen Entwicklung
von Handel und Industrie ... Am 9. Juli fielen die Zollschranken zwischen dem
badischen und bayerischen Rheinufer; am 10. September legte der Großherzog Leopold
den Grundstein zu den Bauten, die allmählich den Mannheimer Hafen zu dem größten
Binnenhafen des europäischen Festlandes machten ...«. Im Kapitel »Das Mannheimer
Lyceum« erläutert Kußmaul die damaligen badischen Schularten (in der Sexta, der obersten
Klasse, gab es gegenüber dem Gymnasium zusätzlich Philosophie und Physik) und
berichtet von zusätzlichem Schönschreiben, das der Vater ihm verordnete aus der Erfahrung
heraus, daß »Docti male pingunt, zu deutsch: Gelehrte haben eine schlechte Handschrift
« . Er erzählt auch freiweg von allerlei Mutwillen, so etwa, daß im Französischunterricht
»weniger Französisch als Unfug getrieben« wurde. Auch über diesen und jenen
später berühmten Zeitgenossen erfahren wir so manches: »Der talentvollste und fleißigste
Schüler der Quinta ist später von allen der berühmteste Mann geworden, der nachmalige
badische Staatsminister Julius Jolly.« Doch weil »Heidelberg Wiesloch näher lag als
Mannheim, ließ mein Vater die Familie an Ostern 1838 dorthin übersiedeln« (bisher hat-

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