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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 1.1985
Seite: 96
(PDF, 34 MB)
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Letzte ihres ursprünglich basel-bischöflichen, dann badisch-markgräflichen Adelsgeschlechtes
starb.

5. Erweckung, Union, Richtungskampf
Die Erweckung in Basel und Baden

Die erwähnte Gründung der Christentumsgesellschaft (1780) in Basel bildet gleichsam
das verbindende Glied zwischen dem auslaufenden Barockpietismus des 17./18. Jahrhunderts
und der beginnenden Erweckung. Ursprünglich als Instrument gegen die Neo-
logie, d. h. gegen den Rationalismus, gedacht, lebte sie bald von regen Briefkontakten
mit einzelnen und Partikulargesellschaften in halb Europa. Die Adressen verteilten sich
geographisch aber keineswegs gleichmäßig. Basel, Württemberg, Nürnberg oder Berlin
erwiesen sich als Zentren der Erweckung; Baden spielte da eine untergeordnete Rolle.
Offensichtlich hatte sich in der Markgrafschaft die Aufklärungstheologie gegen den Pietismus
behauptet.

Aufstieg und Fall des von Frommen als Antichrist interpretierten Napoleon veränderten
die damalige Welt. Baden konnte seinen Umfang beträchtlich erweitern, die einst
rein evangelische Bevölkerung bestand nun mehrheitlich aus Katholiken. Mit dem Wiener
Kongreß (1815) fand diese Entwicklung ihren Abschluß: Vorderösterreich und das
basel-bischöfliche Amt Schliengen waren von der Landkarte definitiv verschwunden.
Einer der Bezwinger Napoleons, der russische Zar Alexander L (1777-1825), hatte 1793
Elisabeth (eigentlich Luise Marie Auguste) von Baden (1779-1826), die Enkelin Karl
Friedrichs, geheiratet. Er erschien 1814 in Baden, unterhielt sich im Schloß Bruchsal mit
Jung-Stilling und machte auch in Basel Halt.

Eine der schillerndsten damaligen Gestalten war die livländische Baronin Barbara Juliana
von Krüdener, geborene von Vietinghoff (1764-1824). Nach einem der Welt zugewandten
Leben fühlte sie sich plötzlich berufen, in mystisch-ekstatischer Weise Bekehrungen
herbeizuführen. Deswegen erschien sie 1813 in Basel als einem Zentrum der damaligen
frommen Welt. Sie sprach dort mit dem Sekretär der Christentumsgesellschaft,
dem Württemberger Christian Friedrich Spittler (1782-1867). Spittler, ein großes Genie
der Erweckungsbewegung, gründete mit rastlosem Eifer Werke des Glaubens und der
Menschenliebe. Sein Vetter, der Spezialsuperintendent Ludwig Jakob Hartmann (1752-
1832) von Durlach, war übrigens einer der wenigen Korrespondenten der Christentumsgesellschaft
in Baden. Spittler mißtraute aber der Frau von Krüdener. Doch fand sie mit
ihren phantastischen Ideen - die politisch-religiöse Verbindung der europäischen Fürsten
in einer »Heiligen Allianz« und die apokalyptische Wanderung eines Volkes dieser
Allianz nach Osten - das Ohr des Zaren Alexander. Der Einfluß von Jung-Stillings Roman
»Heimweh« auf die Auswanderungsidee der Frau von Krüdener ist offensichtlich.
In Anlehnung an den Auszug der Israeliten aus Ägypten spricht man auch hier von einem
Exodus. Jung-Stilling berichtete übrigens Spittler von der Unterredung mit dem
Herrscher der Russen.

Weltgeschichte und Lokalgeschichte berührten sich, als Frau von Krüdener in Basel
wirkte und vor allem dank ihren Lebensmittelverteilungen während der Hungerjahre
1816/17 großen Zulauf hatte. Der Polizei paßten das Reden von einer neuen Zeit und die
Volksaufläufe nicht, Frau von Krüdener wurde ausgewiesen. Sie wählte sich das an der
Grenze gelegene Grenzacher Hörnli - es befindet sich auf badischem Gebiet - als neuen
Predigt- und Wirkungsort aus. Viele Menschen strömten auch dort zusammen. Erste
Spuren der Erweckung im Markgräflerland gehen auf sie zurück.

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