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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 1.1985
Seite: 112
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Abbe Sieyes formulierte dies sehr deutlich, als er fragt:

»Warum sollen die Revolutionäre nicht alle jene Familien in die Wälder der Franken
zurückschicken, welche den närrischen Anspruch erheben, aus der Rasse der
Eroberer hervorgegangen zu sein?«

Und es blickt uns bereits ein neuer Nationalismus entgegen, wenn er fortfährt:

»Die Nation, dann gereinigt, wird sich, meine ich, darüber trösten können, daß
sie dann annehmen kann, nur noch aus den Abkömmlingen der Galher und der
Römer zu bestehen.«

Nicht nur neuer Nationalismus, auch eine Art von missionarischem Drang war in dieser
ersten Phase zu verspüren. So wollte man die Relikte der alten Zeit auch außerhalb
Frankreichs ausrotten, die Revolution also über die Grenzen tragen, hinein in »die Wälder
und Sümpfe des alten Germaniens«, wo die Fürsten und Feudalherren noch herrschten
. In einer Pariser Zeitung, dem »Moniteur«, war nach dem Umsturz wörtlich zu lesen
:

»Da die deutsche Reichsverfassung der Zentralpunkt aller Adels- und Feudalvorurteile
Europas ist, so muß es das einzige Ziel der französischen Republik sein,
sie zu vernichten.«

Doch die Deutschen waren noch nicht ganz so weit vorangeschritten. Sie hatten keinen
einheitlichen Staat, sie waren kein einheitliches Staatsvolk. Aber die Ideen, die jenseits
des Rheins realisiert wurden, hatten auch diesseits des Rheins Anklang gefunden.

Zwei dieser Ideen will ich herausgreifen, weil sie für alle Nationen Gültigkeit hatten
und haben, weil sie seit dieser Zeit gestaltende politische Kräfte wurden.

Es ist einmal der Zweiklang »Nation und Souveränität«, der das 19. Jahrhundert prägte
und der die Debatten in den deutschen Parlamenten im Zeitalter des Konstitutionalismus
und der Reichseinigung von 1835 bis 1875 beeinflußte. Das Großherzogtum Baden
zeigte hierbei deutlich, wie stark die französische Revolution auf die Nachbarschaft ausstrahlte
. Die Wahlparole zum ersten badischen Parlament im Jahre 1819 lautete: »Wählt
freimütige Verfassungsfreunde!« In diesem Landtag wurde auch erstmals die nationale
Einheit aller Deutschen gefordert. Es war 1831 Professor Welcker mit seinem berühmten
Antrag zur

»Vervollkommnung der organisatorischen Entwicklung des deutschen Bundes
zur bestmöglichen Förderung deutscher Nationaleinheit und deutscher staatsbürgerlicher
Freiheit.«

Und hier war Frankreich das Vorbild. Es war Nation und hatte eine Verfassung, die
Staatsbürger, nicht Untertanen, schuf.

Eng verbunden mit diesem Zweiklang war der Dreiklang des Leitmotivs der Revolution
:

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Dieser Dreiklang bedeutete: Freiheit des einzelnen im liberalen Rechtsstaat, Gleichheit
des Staatsbürgers im demokratischen Verfassungsstaat, Brüderlichkeit der Staatsangehörigen
im nationalen Staat - als Glied einer internationalen Solidarität der Staaten.

Und dieser Dreiklang wurde auf deutschem Boden begeistert aufgenommen und Freiheitsbäume
errichtet.

Wir wissen, daß der Philosoph Hegel und der Dichter Hölderlin in Tübingen um diesen
Freiheitsbaum tanzten. Herder sah darin die »Taufe der Menschheit«, und Schiller
hoffte:

»Der alte Urständ der Natur kehrt wieder
wo Mensch dem Menschen gegenübersteht.«

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