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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 1.1985
Seite: 136
(PDF, 34 MB)
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nicht überschätzen, aber man kann in der verhangenen Stille des Krankenzimmers dem
Geist sehr nah begegnen. Stresemann lernte ich kennen, wie er die erzwungene Ruhe
ganz in Goethestudien verträumte. Man weiß, welche große fachliche Höhe er darin erreichte
. Die erste Fahrt, als sie eben möglich war, machte er von Bühlerhöhe nach Meisenheim
, auf das Grab der Friederike ...«. Es ist für uns immerhin recht aufschlußreich,
wie sehr - in diesem Fall mittels Stroomann und Bühlerhöhe - unsere engere Region in
die damaligen weltgeschichtlichen Begebenheiten miteingeflochten wurde.

Ähnlich verhielt es sich auch mit dem ehemaligen Reichkanzler Hermann Müller: »...
wurde am 23. August 1929 [demnach während seiner zweiten Kanzlerschaft 28. Juni
1928 bis 27. März 1930] ärztlich zum ersten Male nach Bühlerhöhe gewiesen ... Im Spätherbst
des Jahres 1929 besuchten wir Hermann Müller in der Reichskanzlei und nahmen,
mit großer Wärme aufgenommen, am Famiii entisch teil ... Ein unvergeßlicher Sonntag
menschlicher Nähe ... Im nächsten Jahr kam er wieder nach Bühlerhöhe, sehr abgearbeitet
, müde, krank. Ich mahnte, daß die Zeit zur Operation (Gallenblasenentfernung)
überschritten sei. Er erwiderte, sofort nach der bevorstehenden Wahlkampagne würde
er zu Enderlen nach Heidelberg gehen ... Auf dieser Wahlreise wurde er immer elender
und ist, ohne noch einmal operiert werden zu können, gestorben.«

Hier interessiert alsdann der 1878 in Schönau im Wiesental geborene spätere hessische
Ministerpräsident Karl Geiler, von Haus aus Jurist, Rechtsanwalt in Mannheim, Professor
in Heidelberg, 1953 ebenda verstorben. Aus diesem Todesjahr rühren Stroomanns
Aufzeichnungen. »Viktor Hehn [1813 - 1890, Kulturhistoriker und Reiseschriftsteller]
und seit ihm nennen viele den Südwesten, von Basel bis zum Main, das produktive Reservoir
Deutschlands: wobei das beweglichere, aber unruhigere Grenzland ... mit seinem
Reichtum an produktiven Geistern durch das stabilere stärkere, aber schwieriger
gediehene, oft eigenartige Württemberg [vgl. o.] ergänzt wird ... Seelisches Verweilen
vermögen Johann Peter Hebel und Eduard Mörike wie nur wenige. Aber wie bürgerlich
sicher steht der Karlsruher Prälat mit seiner Versponnenheit [?] gegen die kränkelnde
Vereinsamung, mit der Mörike seine wundersamen Gebilde auffangen mußte ... Geiler
gehört zu den Süddeutschen ... Die Kinderjahre im Wiesental. Dort mündet alles tätig
nach Basel, in die Stadt der Humanisten ...«. Nahtlos schließen hier Stroomanns Zeilen
über »Dr. Ernst Koechlin-Burckhardt aus der Stadt der Humanisten« an: »Dieser Stadt
habe ich in ihr Herz hören dürfen, in ein echtes Basler Herz - ganz gewiß vorbestimmt
durch meine Schweizer Frau. - Bald vier Jahre lang hatte Ernst Koechlin die Nächte
kurzluftig großenteils im Sessel verbracht (Asthma cardiale), souverän gelassen sich dem
Abstieg ergebend - da brachten uns 1923 gemeinsame jüdische Freunde mit ihrem grossen
Spürsinn für die Medizin zusammen: die Stunde der Kombination neuer Mittel mit
der schon klassischen Strophantinbehandlung war gekommen. Ernst Koechlin schlief
noch sechs Jahre wohltätig im Bett; er konnte wieder, wenn auch schwer hustend, durch
die Freie Straße gehen ... Nach dem ärztlichen Befund ... mußte man alles verbieten. Ich
habe alles, natürlich in jeweiligen Maßen, erlaubt ... Dr. Koechlin war sozusagen der
Präsident der gesamten Basler Kultur: Er stand an der Spitze der herrlichen Kunstsammlungen
... Er war der Kurator der Universität... der Vorstand der berühmten Konzerte
und des Theaters ... Seine industriellen und gewerblichen Auswirkungen, ausstrahlend
bis ins nahe badische Wiesental... Wer er dort war, wußte ich längst, aber an seinem 65.
Geburtstag hätte ich es endgültig hören müssen, als wir ihn im engsten Basler Kreis feierten
. Die Spitzen der Basler Tradition und Zurückhaltung waren erschienen ... Seitdem
weiß ich, welches herzliche Leben und Kräfte in Basel gestaut sind. Das sind jene durch
die Stadt verstreuten Palais, die in abgedichteter Schönheit stehen, wohl desinfiziert von
den Einflüssen der Außenwelt...« - dergleichen Sätze möchte man geradezu als eine do-

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