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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 1.1985
Seite: 156
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-01/0158
Der Rückgriff auf den Begriff des »servus«

Hier ist nun besonders wichtig zu betonen, daß unter dem Einfluß des römischen
Rechts der Begriff des »Leibeigenen« mit dem altlateinischen »servus« übersetzt wurde.
Dieses Wort bedeutet bekanntlich »Sklave«, und das war der sogenannte »Leibeigene«
im Rechtssinne nie gewesen, wie noch darzulegen sein wird.9' Aber eines störte die Landes
- und Grundherren zu Beginn des 16. Jahrhunderts freilich sehr: Es war die unaufhörliche
Zersplitterung der Rechtsstellung der Bevölkerung ihrer Territorien. Vom
Freien bis zum Hintersaßen und Knecht gab es eine Unzahl verschieden abgestufter
Rechtsstellungen, die sich auf Herkunft, Berufe und in der Landwirtschaft auf Besitz,
Leihe, Tätigkeit und Dienststellung bezogen. Ein System, das zweifellos in den Verwaltungen
, im Steuer- und Abgabenwesen einen unerhörten Aufwand verursachte und auch
dazu führen konnte, daß das herrschaftliche Steueraufkommen geschmälert werden
konnte.

Dem versuchten damals viele kleine Territorialherren, vor allem auch kirchliche in
Oberschwaben und im Allgäu, dadurch zu entgehen, daß sie eine Vereinheitlichung der
Rechtsstellung ihrer Untertanen auf möglichst niedrigem Niveau durchführten. Und das
hatte zur Folge, daß in einzelnen dieser kleinen Herrschaften selbst die Freien diesen Status
verloren.10'

Vor allem solche Umstände waren es, die in diesem Gebiet den Bauernkrieg auslösten.
Bei uns dagegen spielten diese Gründe und der Kampf gegen den Fürsten kaum eine Rolle
, da die Bevölkerung eine unvergleichlich bessere Rechtsstellung hatte: In der »Landschaft
«, dem Ortsgericht, der Besetzung des Landgerichts waren Freie und Unfreie, sogenannte
Leibeigene, völlig gleichberechtigt; diese persönlichen Eigenschaften - auf das
Wort kommen wir noch zurück - spielten überhaupt keine Rolle. Das Motiv der Mark-
gräfler Bauern, das kommt in der neueren Literatur zum Ausdruck, war vielmehr politischer
Natur: Sie wollten reichsfrei werden, ihnen schwebte wohl ein ähnliches Staatswesen
vor wie das der eidgenössischen Alten Orte, wenngleich der Traum verrann, ehe er
formuliert werden konnte. Ihre Vorstellung vom Fürsten war die des Wortes in seiner
ursprünglichen Bedeutung »erster, vorderster, vornehmster« und in diesem Sinn eines
Primus inter pares, als Bauer unter Bauern. Eine idealistische, aber unter den Verhältnissen
des beginnenden 16. Jahrhunderts und da und dort schon vorgebildeten absolutistischen
Staatsformen eine unrealistische Vorstellung.

Besondere programmatische »Artikel« der Markgräfler Bauern

Daß dieses oder ein ähnliches Ziel aber politisch erstrebt wurde, geht daraus hervor,
daß die Markgräfler »Bauernhaufen« sich damals »Landschaft« nannten. Die Vermutung
ist deshalb nicht abwegig, die ganze oder die große Mehrheit der organisierten
Wehrmannschaft, eben die »Landschaft«, sei am Zug der Bauern in den Breisgau beteiligt
gewesen.

Kennzeichnend für die Lage der Bauern damals in unserer Gegend, die heute modern
als Grenzecke bezeichnet wird, ein Begriff, der aber für die damalige Zeit ganz unzutreffend
wäre, sind die ausführlichen programmatischen Artikel der Bauern der Oberen
Markgrafschaft, die in den Basler Chroniken11' wiedergegeben sind. Ein ganz einzigartiger
Artikel sei daraus zitiert:

»ein yeder soll den andern lassen belyben in siner sprach und kleydung, oder er soll als
ein ungehorsamer gestrafft werden«. Darin kommt erstmals der Wille zum Ausdruck,

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