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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 2.1985
Seite: 166
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-02/0168
Vor Ort

In jedem Bericht über ein kleines Besichtigungsereignis an irgendeinem Ort müssen
wir die Standardformel lesen, es habe »vor Ort« stattgefunden. Ob große oder kleine Politiker
oder Behördenchefs, stets dürfen wir, wenn sie am Fernsehen den Mund auftun,
mit dieser Sprechblase rechnen. Man ist nicht mehr einfach irgendwo, an Ort und Stelle
gewesen, hat sich »dort« informiert, nein, nein, Uniformität tut gut: Alle waren sie »vor
Ort«. Wer von ihnen aber weiß, woher der Ausdruck kommt? Versuchen wir, es uns
klar zu machen.

Zunächst kommt der Ausdruck aus dem Kohlenrevier, insoweit stammt er aus dem
Sprachschatz der Bergleute schlechthin, d. h. früher aus dem Erzbergbau. Wir Heutigen
haben ihn aus der Sprache der Zechenkumpel. Die Hauer, die ganz vorne am Vortrieb
die Kohle brechen, arbeiten »vor Ort«. An der Spitze des Stollens nämlich.

Die Bedeutung von Spitze liegt auch den Flurnamen zugrunde, die mit »Ort« gebildet
wurden. Ein spitz zulaufendes Flurstück, Acker, Matte, kann z. B. Orthalde, aber auch
»In der Ort« (weibl., Lörrach) heißen.

Die Ecksteine eines Hausbaues im Mittelalter waren »Ortsteine«, der Baumeister, der
sie setzte, bekam davon seinen Berufs- oder Spitznamen als »Ortstein«, der dann zum
Familiennamen wurde. Historische Münzen konnten die Bezeichnung »Ort« haben.
Wenn man dieser Bezeichnung begegnet, ist es gut zu wissen, daß es sich um ein Viertelstück
einer viergeteilten Münze handelt. Sie waren keineswegs als Provisorien, sondern
aus praktischen Gründen als eigene Münze von kleinem Wert in Umlauf gesetzt. Offenbar
war die kreuzweise Teilung der ganzen Münze billiger als die Prägung einer eigenen
kleinen Münze, außerdem war sie gut zu unterscheiden.

Am wichtigsten für den Begriff »Ort« wurde seine Bedeutung als Landmarke. Die
Wanderer oder Fuhrknechte, die über Land unterwegs waren, richteten sich nach Landmarken
. Sie sahen am Horizont einen »Ort«, nämlich eine Turmspitze, die die nächste
Wohnsiedlung ankündigte. Und dieser Begriff Ort wurde dann mit dem Dorf, der
Wohnsiedlung, identifiziert. Man hatte »einen Ort« vor sich.

Dieser Vorgang, die Übernahme der Bezeichnung von der Bedeutung als Landmarke
zur Bedeutung als Wohnsiedlung schlechthin, hat sich wohl deshalb allgemein eingebürgert
, weil der neue Grundbegriff »Wohnsiedlung« neutral war. Erst durch verschiedene
Zusammensetzungen mit Bestimmungswörtern erhielt er die heutige Vielfalt an Bedeutungen
, etwa: Abort, Dienstort, Hauptort, Kurort, Ortschaft, Wohnort, Zielort, aber
auch das hinweisende »dort«.

Unmenschliche Altenbetreuung

Das war die Uberschrift eines Zeitungsberichts, der davon sprach, daß aus Gründen
der Personaleinsparung alte Menschen von »Apparaten« betreut werden. In Anführungszeichen
war nicht etwa das Wort »betreut« gesetzt, sondern das Wort Apparat.
Das Gräßliche daran ist, daß beide Wörter im Zusammenhang gebraucht wurden. Das
Wort »betreuen« wird dabei in seiner Leerform verwandelt, wie sie schon längst von Bürokraten
und Organisations-Apparaten zur Selbstdarstellung besetzt ist. Was sagt das
Wort eigentlich? Was ist das? Wen, was tut man be-treuen? Hat es etwas mit Treuhänder
zu tun? Wer gebraucht es, sollte man sich fragen.

Es kann eine Person dabei handeln, wenn man Wörter braucht wie: bearbeiten, beanspruchen
, bedrohen, beerben, beköstigen, belügen, bekämpfen usw. Meist sind auch
zwei (oder mehrere) Personen dazu gedacht, die behandelt werden, davon betroffen
oder beschwert sind oder dessen bezichtigt werden. Passiv betroffen sind Personen, de-

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