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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 101
(PDF, 33 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1986-01/0103
Die Zeit

Vortrag von Gerhard Moehring,
gehalten am 4. Dezember 1985 zur Eröffnung der Ausstellung im Burghofmuseum von Lörrach:
»Rund um die Uhr. Uhren, astronomische Geräte und Meßinstrumente«

Zeit ist eine der grundlegenden archetypischen Erfahrungen der Menschheit. Sie entzieht
sich bisher jedem Versuch einer nur rationellen Erklärung. Ursprünglich wurde sie
als Gottheit erlebt, als ein Lebensstrom, der ihr entquillt.

Für die Philosophie ist Zeit eine Grundlage naiver und wissenschaftlicher Erfahrung
und Erfassung der Wirklichkeit in ihrem Wechsel, Werden und Vergehen.

Für die Physik ist Zeit ein mathematischer Vektor, den wir zur Beschreibung physikalischer
Tatbestände verwenden.

Kinder kennen nicht von Anfang an unsere Uhrzeit. Sie unterscheiden Rhythmus,
Geschwindigkeit und Frequenz, lange bevor sie ein Gefühl für Zeit entwickeln.

Den Griechen waren Zeit und Okeanos, der die Welt umgebende Fluß, identisch. Der
Okeanos hieß aber auch Chronos und wurde gleichgesetzt mit Vater Zeus und Gott
Aion, aus welchem sich später unser Zeitbegriff der »Äonen« abgeleitet hat. Aion war
das Leben selbst, das Schicksal.

Ähnliche Vorstellungen finden wir auch in Indien, China und bei den Indianern in
Amerika.

Uberall ist die Zeit ein Aspekt des letzten schöpferischen, dynamischen Urprinzips.
Denn die Zeit macht alles erst wirklich. Wenn in vielen Mythen der Urvölker Gott als
das schöpferische Prinzip mit dem Begriff »Zeit« gleichgesetzt wird, fällt in der jüdischchristlichen
Tradition auf, daß Gott hier außerhalb der Zeit steht. Erst mit der Welt schuf
er auch die Zeit, vor allem Tag und Nacht als den wohl wichtigsten Ausdruck der Zeit für
uns. Theologisch entscheidend für die Christen wird aber erst das Versprechen Christi,
am Ende der Tage wiederzukehren. Hier wird eine ständige Hoffnung, eine Zukunftsorientierung
in uns ausgelöst, so wie die Juden auf das Kommen des Messias am Ende der
Zeiten warten.

Augustinus lehrt uns erstmals, daß Gott und mit ihm die Zeit nicht nur im Kosmos
lebt, sondern auch im Innersten der Seele wirkt. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
begreift er schon als seelische Erfahrungen, Erinnerungen oder Erwartungen. Gibt
es diese nicht mehr, d. h. dann wenn die Seele mit Gott wieder eins ist, ist auch die Zeit
aufgehoben, wird jeder Zeitbegriff sinnlos.

Die uralte Vorstellung, Zeit als etwas Fließendes zu erleben - erinnert sei nochmals an
den Okeanos - wir sprechen auch vom Strom der Zeit - steht hinter allen Geräten, die
Zeit zunächst zu messen versuchen. Bereits in der Antike gibt es Wasseruhren. Auf derselben
Vorstellung beruht die Sanduhr. Auch Feueruhren - in Gestalt einer Kerze — und
Luntenuhren gab es als Zeitmesser. Mit Feuer und Wasser waren so zugleich die Symbole
kosmischer Energie angesprochen. Dieses Strömen und Fließen in Verbindung mit der
Zeitmessung gründet auf dem Gedanken, daß Zeit ein lineares Strömen sei.

Erst Einstein lehrte uns, daß alle Zeitangaben relativ zur Position des Beobachters
sind.

Auch im Bereich der Träume, so erkannte CG. Jung, ist die Zeit etwas Relatives. Begriffe
wie »vorher« und »nachher« verlieren dort in der Regel ihre Absolutheit. In diesem
archetypischen Bereich der Psyche erleben wir das Gefühl, mit etwas Unendlichem,

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