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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 110
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sen, oder die Zeit wird uns lang. Adalbert von Chamisso hat das Wort von »der schweren
Zeit der Not und der Not der schweren Zeit» geprägt. Lortzing läßt seinen Waffenschmied
von einer »köstlichen Zeit« singen. Herodot spricht schon im 5. Jahrhundert
v. Chr. von »der goldenen Zeit« und meint damit das saturnische Zeitalter, wo die Menschen
sorglos ohne Arbeit und Weh dahinleben wie die Götter. Schiller hingegen definiert
in seinem Lied von der Glocke: »O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, der ersten Liebe
gold'ne Zeit!'« Ihr folgt-tn der Regel die hohe Zeit, die Hochzeit, bis wir schließlich das
Zeitliche segnen oder verlassen. Wichtig scheint uns immer, daß wir die Zeichen der Zeit
verstehen. Alles nämlich - so lehn uns der Prediger Salomo schon - hat seine Zeit. Hüten
wir uns also davor, etwas zur Unzeit zu tun. Wir sollten uns auch bemühen, uns in die
Zeit zu schicken.

Shakespeare erinnert uns im »Hamlet« daran, daß die Zeit aus den Fugen geraten kann
- the time is out of joint. Auch Attinghausen sagt in Schillers »Wilhelm Teil«: »Das Alte
stirbt, es ändert sich die Zeit!« Etwas variiert läßt Goethe Götz von Berlichingen sagen:
»Die Zeiten sind vorbei! »Tempora mutantur, nos et mutamus in Ulis!« - Die Zeiten ändern
sich und wir uns mit ihnen, d. h. wir sind von dieser Zeit auch abhängig. Aber Schiller
tröstet uns in »Wallensteins Tod« mit dem Vers: »Der Menschen Engel ist die Zeit!«
Die Zeit kann aber auch schrecklich sein, wie uns die Geschichte in der »Kaiserlosen, der
schrecklichen Zeit« lehn. So scheint es immer wieder ein Widerspruch in diesem Zeiterleben
zu geben, wenn wir wie Ovid vom alles zerstörenden Zahn der Zeit sprechen
(»tempus edax rerum«). Andererseits meint Augustin, daß die Zeit Wunden heilt. Den
allzu Ängstlichen darf man zurufen: »Kommt Zeit, kommt Rat!« Wie unterschiedlich
für jeden die Zeit sein kann und wie gefährlich wechselvoll, versuchen wir mit dem Gruß
zu bannen wie »Guten Morgen, guten Abend oder guten Tag!«

Nach diesen Andeutungen, was Zeit ist oder für uns bedeutet, müssen wir der Vollständigkeit
halber auch fragen, was jenseits der Zeit ist, wo Nicht-Zeit, Ewigkeit ist und
wie wir dazu stehen. Die Antwort kann nur theologischer Natur oder spekulativ sein.
Beschränken wir uns trotz der vielen Thesen, die weise Religionsstifter und Propheten
zu allen Zeiten bereithalten, auf das Wort des Apostel Paulus: »Als die Zeit erfüllt war,
sandte Gott seinen Sohn.« Wo es also Zeit nicht mehr gibt, ist die Erfüllung der Zeit. Zeit
darf es also nicht mehr geben, wo diese Geburt in unserer Welt oder in unserer Seele anheben
soll. Nichts gibt es, was diese so sehr hindert, wie die Zeit. So gibt es in dieser göttlichen
Zeitlosigkeit notwendig auch keinen Tod, sondern nur das ewige Leben. Gott ist
für Meister Eckhart daher zugleich ewige Stille und ewiges Strömen.
Und Gottfried Herder formuliert es so:

Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
auf Erden hier

Wie Schatten auf den Wogen schweben

und schwinden wir,

und messen unsre trägen Tritte

nach Raum und Zeit,

und sind (und wissens nicht) in Mitte

der Ewigkeit.

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