Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 120
(PDF, 33 MB)
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auf den Bildgehalt haben und Rückschlüsse auf ein physisches Mitleiden des Malers zulassen
. Von der Komposition her von großer Wichtigkeit sind schwere, dunkle Quer-
und Längsbalken, durch die das Bild zusammengehalten wird und die ein Geflecht wie
ein Gitter ergeben. In der oberen linken Bildecke erscheint dieser Balken als Galgen, in
der Szene der Kreuztragung hat der Maler den Querbalken, den Christus auf seinem
Rücken trägt, extra stark betont, schlußendlich besteht das Kreuz selbst aus diesen bildbestimmenden
Balken. An ihnen ist das Geschehen aufgezogen. Die Balken stellen quasi
das kompositionelle Gerüst dar. Der Zeitablauf ist eine weitere entscheidende Bildkomponente
. Darin ähnelt Ibenthalers Gemälde einer Fortsetzung der mittelalterlichen
biblia pauperum (Bilderbibel für die Armen, die nicht lesen konnten).

Die vier Stationen des Leidensweges

Neu daran ist die Einführung einer Szenenfolge: In vier Episoden unterteilt - die Geißelung
Christi, die Dornenkrönung, die Kreuztragung und die Kreuzigung selbst - ist
die Leidensgeschichte zu einer Einheit verschmolzen, indem der Maler die fortlaufenden
Ereignisse in einer Komposition zu einem bildnerischen Ganzen gestaltet. Auf alle historisierenden
Bildelemente ist verzichtet worden zugunsten der lapidaren Aussage über ein
Geschehen, das bis heute in immer neuer Form stattfindet. Das geschichtliche Ereignis
wird mit dem Hier und Jetzt gleichgesetzt. Als weiteres formales Gestaltungsmittel werden
fünf verschiedene charakteristische Personen oder Personengruppen als Träger des
Bildgeschehens eingeführt:

Da ist auf der einen Seite als Hauptfigur Christus in der Verlassenheit und Einsamkeit
des Opfers: der Prototyp aller unschuldig Gefolterten und Gemordeten. Der Mann von
Golgatha ist auf diesem Leidensweg, den der Betrachter von Station zu Station mitverfolgen
kann, eine Figur von zeitloser Aktualität. Diktatur, Unterdrückung-solche Fälle
gibt es bis zur heutigen Stunde, nur nicht so prominente. In den Szenen der Verhöhnung
(Purpur als Verspottung des »Judenkönigs«) bis hin zur Sterbeszene macht die Christusfigur
von der Gestik und vom Ausdruck her klar, daß der Leidende von allen Ärmsten
der Höchste ist. Die Farben im Gewand des Kreuztragenden sind erdhaft (Erde zu Erde
), hellen sich im Gekreuzigten in Gelb und Weiß auf - Symbol für die Uberwindung
im Opfer.

Mit dieser zentralen Gestalt verbunden sind Maria und Magdalena als hilflos Mitleidende
. Zu Füßen des Gekreuzigten symbolisieren sie die elende Einsamkeit der Anverwandten
: zwei Frauen, im Leid gewachsen, werden die Idee weitertragen.

Auf der anderen Seite stehen die verantwortlichen Vertreter der materiellen und intellektuellen
Macht. In drei Figuren sind die Mächtigen dieser Welt zusammengefaßt: hinten
rechts vom Betrachter aus der Unternehmertyp, die Macht des Geldes, im Vordergrund
dominiert das »Recht«, ein Richter, es könnte auch ein Geistlicher sein, links davon
der Intellektuelle, der Wissenschaftler, die Macht des Wissens - wie schon bei George
Grosz und Otto Dix so auch hier die »Stützen der Gesellschaft«.

Eine weitere Gruppe bilden die Schergen, die subalternen Befehlsausführer. Ihre Uniformen
sind keine nationalen Kennzeichen, sondern allgemeines Symbol für organisierte
Machtausübung. So bewußt verschieden die Uniformen, so bewußt haben sie aber auch
Zeitbezüge und erinnern an die Greueltaten des Zweiten Weltkrieges, den der Maler miterlebt
hat und der seinen künstlerischen Protest auslöste. Hier läßt sich persönliche seelische
Not aus dem Passionsbild herauslesen.

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