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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 124
(PDF, 33 MB)
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So war es einmal: Vor der Restaurierung der evangelischen Kirche in Holzen hing das Passionsbild
über dem Altar, was seine ursprüngliche Bestimmung war.

kannt. Er unternimmt daher in seiner Passionsausdeutung nicht den Versuch, das biblische
Thema für eine religiöse Umgebung zu gestalten (das Bild entstand auch gar nicht
im Auftrag einer Kirche), sondern überträgt es in die Gegenwart, läßt die Leidensgeschichte
zwischen Menschen der eigenen Zeit spielen, um sie zu vergegenwärtigen.

Ibenthalers Stilmittel beruht auf einer einfachen Gebärdensprache. Seine Auffassung
der Gestalten ist porträthaft. War für viele Maler die Gestalt Christi eine unüberwindba-
re Hürde, so gelingt Ibenthaler hier eine individuelle und zugleich lebensbezogene Typisierung
der Figuren. Daher ist sein Christusbild nicht von blasser Allgemeinheit, nicht
idealisiert, wie viele Christusbilder des späten 19. Jahrhunderts. Das Bild hat bei aller
Entpersönlichung etwas Erlebnishaftes, in der Verhöhnungsszene ist es von hieratischer
Strenge, in der letzten Christusdarstellung, der Kreuzigung, hoheitsvoll im Tod. Dies
und die Ausdruckskraft der leidvollen Köpfe und Gesten machen das Gemälde so ergreifend
. Hier werden lange und schwere Lebenserfahrungen und tiefes Wissen um das Leid
zur sichtbaren Form. Das Bewußtsein des Leidens erzeugt beim Betrachter eine emotionale
Betroffenheit, denn das Bild ist durch und durch pessimistisch: Diese Passion ist
nichts anderes als eine Exekution, die die Rohheit und Unmündigkeit des Menschen
zum Ausdruck bringt. Eine Anklage gegen Gewalt und Inhumanität. Wir müssen diese
Tatsachen und Möglichkeiten, von denen das Bild spricht, sehen und können nicht ausweichen
. Die »Holzener Passion« ist somit unsere Passion: Das ist das Thema des Bildes.

Man kann es religiös deuten als die Vollendung des Opfers im Sieg, der Uberwindung
der Qual, aber es ist in einem besonderen Sinne religiös, indem es aus einer existentialisti-
schen Lebenseinstellung heraus entstanden ist. Daher soll in dieser Betrachtung nicht
nur von der neuen Sicht und von den neuen Kunstmitteln gesprochen werden, denn der
Wert des Passionsbildes liegt nicht allein in seiner Stellung, sondern in dem, was es ausstrahlt
, was an humaner Kraft in ihm wohnt. Mit anderen Worten: das Hohelied von
religio und humanitas.

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