http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1986-01/0129
im Wiesenweg auf. In Lörrach besucht er auch die Hebelschule, und bereits hier fällt der
stille, beschauliche Schüler seinen Lehrern durch seine Bildchen und Bilder auf, die er
zunächst auf die Tafel und dann auf Blätter zeichnet und malt. Es sind Bilder früher Eindrücke
von der Wiese, vom Röttier Schloß, vom Röttier Chilft und den unzähligen reizvollen
Plätzen und Orten in unserer Landschaft. Diese Eindrücke werden vertieft und
erweitert auf vielen einsamen Wanderungen des Heranwachsenden und auf Streifzügen
durch die engere und weitere Heimat, deren Schönheit und Eigenheiten er liebevoll erfühlt
und erfaßt, um sie in die Skizzen und Bilder umzusetzen, die noch heute viele seiner
Mappen füllen und und von denen eine kleine Auswahl in der Vitrine im Obergeschoß
zu sehen ist. Sein erstes Vorbild und sein Wegweiser ist der große Hans Thoma, und so
wie dieser geht auch Karl Gerstner seinen Weg von der Nähe in die Weite, von der Heimat
in die Fremde. Und auch er kehrt wieder in die Heimat zurück und in das Besondere
, das Eigene der heimatlichen Landschaft. Um die wechselnden Tages- und Jahreszeiten
in ihren verschiedenen Stimmungen zu Bildern werden zu lassen, wie es Dr. K. F.
Rieber einmal so treffend formuliert hat. Die Fülle der Werke, die Sie hier in dieser Ausstellung
finden und die nur ein Teil seines Schaffens sind, wird Ihnen, meine Damen und
Herren, diese Aussage bestätigen.
Nach der Schulzeit erhält der Fünfzehnjährige sein technisches Rüstzeug bei den Lehrern
Th. Eble und A. Majer an der Basler Kunstgewerbeschule. Beruflich finden wir ihn
dann ab 1931 bei der Firma K.B.C. als Musterzeichner, einer Tätigkeit, die, nur durch
den Krieg unterbrochen, 46 Jahre lang dauert. Doch greifen wir den Jahren nicht vor.
Beglückend wird für den jungen Gerstner die Zusage der Karlsruher Akademie, dort
sein Studium aufnehmen zu können, denn seine vorgelegten Arbeiten haben die Auswahlkommission
überzeugt. Doch der Ausbruch des Krieges macht den hoffnungsvollen
Ansatz zunichte. Karl Gerstner muß Soldat werden, und die Ereignisse führen ihn einen
anderen Weg. Besonders ist er im Osten eingesetzt, am Wolchow vor Leningrad,
Namen, die sich bei uns Älteren besonders in die Erinnerung eingegraben haben. Hier
entstehen in den Kampf- und Gefechtspausen viele Skizzen und Zeichnungen, von denen
die meisten verloren gingen. Die übriggebliebenen Blätter aber, die man nur bei einem
Atelierbesuch zu sehen bekommt, sprechen von Grauen, von der Not und dem
Elend des Krieges, der Mensch und Natur zerstört und auslöscht. Dokument dieser Zeit
ist auch ein frühes Ölbild, hier in der Ausstellung zu sehen, das zerschossene Dorf Haltingen
, dessen Ruinen und Trümmer gleichsam als ein Menetekel gegen den Himmel geschrieben
sind. 1943 wird Karl Gerstner schwer verwundet und landet schließlich im
Heimatlazarett, im Saal des damaligen »Hirschen«. Den Schwerverletzten trifft es hart,
als man seine Bilder, die er zu einer Ausstellung eingereicht hatte, mit der Bemerkung
zurückschickt, diese seien keine deutsche Kunst, wie man sie zeigen wollte, da sie zu
sehr den französischen Impressionisten nachempfunden seien. Nach dem Krieg darf
Karl Gerstner dann allerdings so zeichnen und malen wie er will und muß, und es sind in
der Tat die französischen und deutschen Impressionisten, die ihn zu vielen Aquarellen
und feinen ölskizzen leiten. Die Arbeiten der späten 40er Jahre sind meistens Landschaftsbilder
des Markgräflerlandes zwischen Wiese, Rhein und dem Klotzen. Zunächst
noch in zarten Pastelltönen dem Franzosen Corot ähnlich, die dann aber mehr und mehr
zu eigener Farbigkeit finden. Unzählige Aquarelle in tiefen, ja hellen und kräftigen Farben
sind die Ernte seines unglaublich produktiven Schaffens, aber auch Ölbilder, die in
ihrem satten, fast pastosen Farbauftrag an Lovis Corinth erinnern. Der Rhein, das Rebland
, der Klotzen und immer wieder der Blauen, dominierend mit seinen tiefen Mantelfalten
, gleichsam die Weite der lieblichen Landschaft schützend, bilden die Impulse für
sein künstlerisches Tun.
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